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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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davor stand eine Frau, so zierlich, dass Will sie zunächst für einen Teenager hielt. Sie stand mit dem Rücken zum Wasserfall und lächelte ihm erfreut entgegen, als wäre er ein alter Bekannter. Offensichtlich hatte sie ihn kommen sehen. Kannte er sie von irgendwoher?
    „Oh, sie haben ihn gefunden – vielen Dank, mit mir ist es furchtbar. Wenn mein Kopf nicht angewachsen wäre …“ Sie lachte und hob entschuldigend die Schultern.
    Die Frau zum Kleidungsstück also. Will glaubte sich sogar an sie erinnern zu können. Waren sich ihre Blicke nicht kurz begegnet, als die ganze Gruppe an ihm vorübergegackert war?
    „Wunderschön, der Wasserfall hier“, setzte sie das Gespräch ansatzlos fort, während sie den verlorenen Pullover von Will entgegennahm und um ihre schmalen Hüften band. Das Brausen des Wasserfalls zwang sie, ihre Stimme zu heben. Sie war mindestens in Wills Alter, wenn nicht älter – Falten hatten ihr feines Netz über ihre Stirn und Wangen gebreitet. Noch tiefer waren sie um ihre Augen, die ihn jedoch so frisch anstrahlten, als hätten sie erst 20 Jahre hinter sich.
    Diese Frau lachte gerne. Und sie schien fest entschlossen, ihre Laune jedem angedeihen zu lassen, der nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte. Neben ihr stand ein nagelneuer Rucksack mit genug Stauraum für eine mehrwöchige Expedition.
    „Ja, wunderschön“, echote Will, der sich fragte, ob die Einsamkeit ihn auch die Kunst der Konversation, früher eine seiner Stärken, hatte vergessen lassen.
    „Könnten Sie bitte ein Foto von mir machen?“ Sie streckte ihm eine silberne Kompaktkamera entgegen.
    „Ehrlich gesagt bin ich technisch ziemlich unbegabt.“
    Ihr Lächeln verlor keine Spur an Herzlichkeit.
    „Na kommen Sie schon, einfacher geht’s gar nicht. Sie drücken“, ihre Finger sahen ein wenig arthritisch aus, doch die Fingernägel waren perfekt manikürt, „einfach hier drauf.“
    Sie trat einen Schritt zurück und grinste in Erwartung. Im Sucher leuchtete ihr Haar kastanienbraun. Garantiert gefärbt, aber eine hübsche Ergänzung zu ihren Augen, deren Farbe an Novemberlaub erinnerte.
    „Danke, dass Sie mir den Weg zurück kürzer gemacht haben. Und ein Foto ohne die Mädels war dadurch auch noch drin.“ Sie packte ihre Kamera wieder weg, schulterte ihr Gepäck und schnitt eine Grimasse, als würde sie Will ein peinliches Geheimnis verraten.
    Plötzlich regte sich wieder das schlechte Gewissen in ihm. Er war zu abweisend gewesen.
    „Gehören Sie zu einer Reisegruppe?“
    Sie nickte lachend.
    „Das merkt man wohl oder?“
    Er hob die Schultern.
    „Nein, ich dachte nur …“
    „Sie haben schon recht, wir sind ein Haufen alter Gänse, die Mädels und ich.“ Ihr Arm machte eine ausholende Geste zum Hang. „Wissen Sie, wir spielen gemeinsam Bridge.“
    Wieder dieses unbeschwerte Jungmädchen-Lachen.
    „Jetzt denken Sie sicher, das ist so ein Sport für alte Jungfern, nicht?“
    Will fühlte sich ertappt. Warum hatte er bloß seine Chance auf einen unbehelligten Abzug nicht genutzt?
    „Keine Sorge. Ganz im Vertrauen, ich hab das auch schon immer gedacht.“
    Beim dritten Versuch konnte Will nicht anders, als mit dieser eigenartig überdrehten Person mitzulachen. Die Finger weit in alle Richtungen gestreckt, schoss ihre Hand nach vorne.
    „Ich bin übrigens Kate.“
    Ihr Händedruck war ungewöhnlich fest für eine Frau, ihre Haut trocken.
    „Mein Name ist William.“
    „Und was führt Sie hierher, William? Keine Bridgerunde, nehme ich an?“
    Ihr Zwinkern war schelmisch und weise zugleich – als hätte sie die Antwort ohnehin schon parat; Witwer im ausgehenden mittleren Alter, grenzwertig depressiv. Das war nicht Wills Platz. Er analysierte die Gedankenwelt anderer, nicht umgekehrt.
    „Nur ein paar Tage ausspannen“, erklärte er ausweichend.
    „Wohnen Sie hier in der Lodge?“
    „… ähm, nein, in Glenarm.“
    Der Wasserfall rauschte, die Vögel schwätzten sich langsam in ihren Winterschlaf. Will konnte sich auf keines dieser Geräusche konzentrieren. Er wusste nicht, ob ihn seine aufdringliche neue Bekannte ärgern oder amüsieren sollte. Möglichst diskret hielt er nach einem Zeichen Ausschau, das die Rückkehr von Kates Bridgeclub ankündigte. Weit konnten sie ja nicht sein. Nicht, dass er etwas gegen die Frau hatte. Ihre Präsenz erzeugte auf unerklärliche Weise ein warmes, angenehmes Gefühl in ihm. Trotzdem.
    „Ich habe sie schon genug aufgehalten, William, verzeihen Sie“, ergriff sie

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