Wie ein Blütenblatt im Sturm
seinem Umhang hervor. Seine Hand war tödlich ruhig, als er ihn anfuhr: »Tun Sie das nicht, Roussaye. Sie stehen unter Arrest. Draußen warten britische Soldaten. Selbst wenn sie mich erschießen, werden Sie nicht entkommen.«
»Welche Entschlossenheit«, erwiderte der General mit einem Hauch bitteren Spotts. »Ich wollte mir eine Zigarre nehmen. Wenn ich verhaftet bin, könnte das die letzte Chance sein, mich einem solchen Vergnügen hinzugeben.
Möchten Sie auch eine?«
Mit übertriebener Vorsicht holte Roussaye ein Intar-sienkästchen aus Walnußholz heraus und stellte es auf den Tisch. Dann nahm er eine Zigarre, schnippte das Ende ab und zündete sie mit gelassener Anmut an, als hätte er alle Zeit der Welt. Es war eine beeindruckende Zurschau-stellung von Lebensstil für einen Mann, der sich vor den Trümmern seiner Zukunft und all seiner Pläne stehen sah.
Rafe setzte sich vor den Schreibtisch, ohne den Lauf der Pistole von Roussaye zu nehmen. Er konnte später die Soldaten rufen. Zuvor mußte der General ihm noch ein paar Fragen beantworten.
Roussaye sog an seiner Zigarre und stieß den Rauch dann mit einem Seufzen aus. »Ich würde Sie gerne um ei-ne Sache bitten, Candover, sozusagen von Gentleman zu Gentleman. Ich schwöre, daß meine Frau von nichts weiß.
Bitte tun Sie, was Sie können, damit Sie nicht unter meinen Verfehlungen zu leiden hat.« Mit einem forschenden Blick in das harte Gesicht seines Gegenüber setzte er hinzu: »Filomena ist entfernt mit Ihnen verwandt. Das sollte etwas bedeuten, selbst wenn ein Mann Ihrer Herkunft mich nicht als einen Gentleman akzeptieren mag.«
Rafes Lippen formten eine schmale Linie. »Ich werde meinen Einfluß geltend machen, so gut ich kann. Anders als Sie führe ich keinen Krieg auf Kosten von Frauen.«
»Das war unangebracht, Candover«, antwortete Roussaye mit einem bitteren Unterton. »Obwohl kein Offizier seine Männer immer zurückhalten kann, tat ich mein Bestes, um die Abscheulichkeiten, die stets im Krieg geschehen, gering zu halten.«
»Ich rede nicht über den Krieg, sondern von heute und Gräfin Janos.« Rafe stand auf und beugte sich drohend über den Tisch. »Sie ist verschwunden, wahrscheinlich entführt. Wenn ihr etwas zustößt, und ich finde heraus, daß Sie etwas damit zu tun haben, dann, ich schwöre Ihnen, erleben Sie Ihre Verurteilung nicht mehr.«
Der General nahm die Zigarre aus dem Mund und sah seinen Besucher erstaunt an. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie reden. Wieso sollte ich den Wunsch haben, der Gräfin etwas anzutun? Abgesehen davon, daß Sie eine sympathische Frau ist, möchte ich Leben bewahren, nicht vernichten.«
»Schöne Worte, General«, sagte Rafe bitter. »Wenn Sie mir erzählt haben, was Sie mit Margot gemacht haben, dann können Sie mir ja erklären, wie Sie Mord damit rechtfertigen, daß Sie Leben bewahren wollen.«
Roussaye musterte Rafe intensiv. »Ich glaube langsam, daß wir aneinander vorbeireden. Was genau ist es, dessen Sie mich beschuldigen, und was hat die Lady damit zu tun?«
Rafe begann die Ruhe des Generals, die er bisher bewundert hatte, zu hassen. Flüchtig überlegte er, ob seine eigene unerschütterliche Gelassenheit andere ebenfalls schon in den Wahnsinn getrieben hatte.
Er warf seine Diskretion über Bord. »Die Gräfin ist eine britische Agentin und war maßgeblich an der Aufdeckung Ihrer Verschwörung beteiligt. Ich vermute, Sie haben es herausbekommen und beschlossen, sie zu entfernen, aber nun ist es zu spät. Wir wissen bereits von Ihrem Anschlag auf Castlereaghs Leben, ebenso, daß Wellington ihr nächstes Ziel sein soll. Wenn ich weiß, wo Margot ist, werden Sie mir von Ihren weiteren Plänen erzählen. Ich habe Ihren Handlanger Lemercier erschossen, und bei Gott, ich jage auch Ihnen eine Kugel in den Kopf, wenn es sein muß.«
Roussaye warf den Kopf zurück und lachte laut. »Das wäre eigentlich zu komisch, wenn mein Leben nun nicht genauso verwirkt wäre, als wenn ich dessen schuldig wä-
re, dessen Sie mich anklagen.« Er zog erneut an seiner Zigarre. »Mein Vergehen - und ich vermute inzwischen, daß Sie davon gar nichts wissen - besteht darin, versucht zu haben, ein paar meiner Kollegen zu helfen, die auf des Königs Todesliste stehen.«
Als Rafe ihn nun anstarrte, wurde der General deutlicher. »Kommen Sie, Candover, von der Todesliste wissen Sie doch bestimmt. Die Namen vieler Männer, die in der kaiserlichen Armee führende Positionen hatten, stehen darauf.
Weitere Kostenlose Bücher