Wie ein Blütenblatt im Sturm
nun aber auch nicht mehr über den Entführer. Mit ängstlich-angespannter Miene fragte sie: »Ist Roussaye unser Mann?«
Rafe hatte keine Ruhe, um sich zu setzen, sondern wanderte rastlos im Raum umher. »Nein. Er hat mich überzeugen können, daß sein Wunsch nach Frieden genauso groß ist wie unserer. Er will herausfinden, für wen Lemercier gearbeitet hat.«
»Dann beten wir, daß er Erfolg hat«, erwiderte Hele-ne. »Wir haben nicht viele Möglichkeiten, nicht wahr?«
»Nein. Es sei denn, Sie könnten auf dieselben Quellen zurückgreifen wie Maggie. Ist das möglich?«
»Eher nicht. Sie kennt Hunderte von Frauen in der ganzen Stadt - Wäscherinnen, Zofen, Straßendirnen.
Eigentlich sogar in ganz Europa. Ich bin auch nur eine von ihnen, nur sind Maggie und ich darüber hinaus Freundinnen geworden.«
Rafe blieb stehen und starrte sie verdutzt an. »Sie hat all ihre Informationen von Frauen bekommen?«
Hélène schnalzte verärgert mit der Zunge. »Sie sind nicht besser als Oberst von Fehrenbach. Wieso glauben Männer immer, daß der einzige Weg für eine weibliche Spionin, an Informationen zu kommen, über das Bett geht? Denken Sie mal nach, Euer Hoheit. Frauen sind überall, und sie werden oft gar nicht zur Kenntnis genommen, als wären sie unsichtbar. Männer reden vor Zimmermädchen von geheimen Plänen, schmeißen wichtige Papiere in den Abfall, prahlen bei Prostituier-ten von ihren Taten. Maggies Talent besteht darin, ganz viele kleine Informationen zusammenzutragen und daraus etwas zu erkennen.«
Sie biß sich auf die Lippe, dann fuhr sie fort. »Ich nehme an, es gibt irgendwo eine Liste ihrer Informanten, aber sicher hat sie sie sehr gut versteckt und wahrscheinlich auf eine Art kodiert. Aber auch wenn wir sie finden würden, glaube ich kaum, daß die Frauen mit uns sprechen würden. Sie sind Maggie treu ergeben, und zwar nur ihr. Das Geld war immer zweitrangig-«
Rafe trommelte mit den Fingern auf dem Kaminsims herum, während er über das nachdachte, was Hélène ihm eröffnet hatte. In seiner Eifersucht hatte er schlichtweg angenommen, Margot setzte stets ihren Körper ein - dies mit zynischem Einverständnis Robert Andersons. Verflucht noch mal, hatte er bisher schon ein einziges Mal richtig vermutet?
Hélène unterbrach seine Gedanken. »Was sollen wir jetzt tun? Zu Wellington gehen?«
»Nein. Wie ich schon Roussaye gesagt habe, könnte Wellington gar nichts tun, weil wir nicht einmal andeu-tungsweise wissen, wo wir suchen sollen. Ich habe dem Mann in London, der mich hergeschickt hat, eine dringende Botschaft zukommen lassen. Ich bin sicher, er kann uns ein paar nützliche Vorschläge machen, aber bis wir von ihm hören, werden wohl ein paar Tage vergehen.«
»Und bis dahin?«
Rafe schnitt eine Grimasse. »Wenn Roussaye Erfolg hat, bekommen wir vielleicht direkt die Quelle der Verschwörung serviert. Wenn nicht - weiß der Teufel. Ich fahre jetzt in mein Hotel zurück und zermartere mir mein Hirn. Schreiben Sie mir Ihre Adresse auf, und ich melde mich, sobald mir etwas einfällt.«
Hélène tat, wie gebeten. »Ich werde ebenfalls überlegen, vielleicht fällt mir noch etwas ein. Es muß doch jemanden geben, der uns helfen kann. Nur wer?«
Sie tauschten einen hoffnungslosen Blick aus, dann ging Rafe.
Es war in der Kutsche, als er entschied, daß es sich lohnte, mit dem Comte de Varenne zu sprechen. Wenn er wirklich selbst einmal Spion gewesen war, dann konnte er durchaus noch nützliche Quellen besitzen.
Rafe blieb gerade lange genug im Hotel, um Reitkleider anzuziehen und vom Concierge die Richtung nach Chanteuil zu erfragen. Dann ritt er auf dem Wallach, den er in der ersten Woche in Paris gekauft hatte, los.
Nicht nur, daß er zu Pferd schneller war als mit der Kutsche, er brauchte auch dringend den körperlichen Ausgleich durch das Reiten.
Seine Strecke führte ihn westlich am kaiserlichen Palast von Malmaison vorbei, den Josephine Bonaparte als ruhigen Landsitz gekauft hatte. Josephine hatte sich zu-rückgezogen und war gestorben, nachdem der Kaiser sich von ihr hatte scheiden lassen, weil sie ihm keinen Erben geboren hatte. Man sagte, daß Bonaparte seine letzten Stunden in Freiheit auf Malmaison verbracht hatte, um dem Geist der Frau, die er nie aufgehört hatte zu lieben, nah zu sein.
Eine romantische Geschichte, und als Rafe an dem Anwesen vorbeiritt, spürte er einen Stich Mitgefühl für den Schlächter von Korsika, der noch weiter geliebt hatte, wo es weder weise noch
Weitere Kostenlose Bücher