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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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abgewandtem Gesicht fort. »Da sie nun ein wunderschönes Mädchen und einen Keller voller Wein besaßen, hatten sie keine Eile, weiterzuzie-hen. Sie richteten sich ein und vergnügten sich ein wenig. Noch die nächsten eineinhalb Tage waren sie ständig betrunken und vergewaltigten sie, wann immer einer von ihnen Lust dazu hatte.
    Dann kam ich zufällig in der Uniform eines französischen Grenadierhauptmanns vorbei. Als die Leute im Dorf mich sahen, kam der Bürgermeister zu mir und bat mich, die Soldaten zu vertreiben, bevor sie das ganze Dorf kurz und klein schlugen.
    Ich hatte nicht vor, das zu tun, denn schließlich war ich allein und noch nicht mal ein echter Offizier. Doch als der Mann mir sagte, sie hätten ein englisches Mädchen …« Die Finger von Andrevilles rechter Hand preßten sich gespreizt an die Mauer hinter ihm. »Ich mußte wenigstens nachsehen, ob ich helfen konnte. Also ging ich in das Gasthaus, lobte die Soldaten für ihren Patriotismus und den Erfolg, Spione erwischt zu haben, tadelte sie für ihren Übereifer und legte ihnen nahe, sich nach Paris auf den Weg zu machen, weil der Kaiser sie brauchte.«
    Rafe stellte sich vor, wie der schlanke, nicht gerade muskulöse Andreville einer Bande bewaffneter Trunken-bolde gegenübertrat, und begriff, weshalb Maggie sich in ihn verliebt hatte. Lord Robert konnte damals kaum mehr als ein Junge gewesen sein. »Wie haben Sie es denn fertiggebracht, daß sie Maggie nicht mitschlepp-ten?«
    »Reine Kraft der Persönlichkeit«, erwiderte Andreville trocken. »Ich sagte ihnen, ich würde die englische Spionin selbst mit nach Paris nehmen, um sie verhören zu lassen. Ihr Pferd und Gepäck befanden sich im Stall, also half ich ihr aufzusteigen, und wir sahen zu, daß wir Land gewannen.
    Ich bemerkte schnell, was für eine Art von Mädchen ich da gerettet hatte. Was die Männer mit ihr gemacht hatten, hatte sie fast umgebracht, und sie trug ein zerfetztes Kleid, das mit dem Blut ihres Vaters besudelt war. Jede andere Frau wäre wahnsinnig oder ohnmächtig geworden. Aber Maggie …« Seine müden, angespannten Züge wurden etwas weicher.
    »Als ich die Pferde nach einer Meile zügelte, mich vorstellte und ihr versicherte, daß sie in Sicherheit sei, richtete sie eine Pistole auf mich. Sie war in ihrer Sattel-tasche versteckt gewesen. Ich werde den Anblick nie vergessen: Ihre Hände zitterten heftig, ihr Gesicht war so zugerichtet, daß selbst ihre Mutter sie nicht erkannt hätte, und sie hatte etwas durchgemacht, das ich nicht einmal Napoleon wünschen würde. Aber sie war nicht zerbrochen.« Nach einer langen Pause fügte er sanft hinzu: »Sie ist der stärkste Mensch, den ich je kennengelernt habe.«
    Rafe bemerkte erst jetzt, daß er immer noch auf und ab lief, die Fäuste geballt, die Augen blind. Niemals in seinem Leben hatte er sich heftiger gewünscht, allein zu sein, den Schrecken zu verdauen, das Entsetzliche zu verarbeiten, das Maggie angetan worden war.
    Mit eigenen Augen beobachten zu müssen, wie der Vater umgebracht wird; die erste sexuelle Erfahrung als Opfer einer Bande von Schweinen machen zu müssen … Wie hatte sie sich ihre geistige Gesundheit erhalten? Doch sie hatte nicht nur überlebt, sondern sich auch noch zu einer außergewöhnlichen Frau entwickelt.
    Zu all der hilflosen Qual, die er ihretwegen empfand, kam noch das Wissen seiner eigenen Schuld. Wenn er Maggie nicht so tief verletzt hätte, dann wäre sie überhaupt nicht in Frankreich gewesen. Es war nicht ver-wunderlich, daß sie ihm vorgeworfen hatte, für den Tod ihres Vaters verantwortlich zu sein. Es war die Wahrheit, und es gab nichts auf Gottes Erde, womit er jemals die Katastrophe wieder gutmachen konnte, die er indirekt ausgelöst hatte.
    Der Aufruhr der Gefühle in seinem Inneren war unerträglich. Rafe, die Quintessenz zivilisierten Benehmens, sehnte sich inbrünstig danach, etwas Gewalttätiges zu tun - am liebsten hätte er Margots damalige Schänder mit bloßen Händen erwürgt.

    Andreville las in Rafes Miene wie in einem Buch.
    »Wenn es Ihnen irgendein Trost ist: Die meisten Männer, die der Grand Armee vor so langer Zeit beitraten, sind höchstwahrscheinlich tot. Bleibt zu hoffen, daß jeder einzelne von denen langsam und qualvoll starb.«
    »Ja, das bleibt zu hoffen«, sagte Rafe heiser. Er stellte sich einen dieser Männer vor, wie er von spanischen Partisanen zu Tode gefoltert wurde; einen anderen, der an Wundbrand nach zehn Tagen ohne Hilfe und allein mit einer

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