Wie ein Blütenblatt im Sturm
was er tun wollte, und hob die andere Hand, um die Waffe ruhig zu halten. Dann drückte er mit hämisch verzerrtem Gesicht ab.
Das Donnern veränderte die Szene in einem Sekundenbruchteil. Der Schuß schleuderte Varenne nach vorn, und sein Gewicht riß Maggie mit. Doch durch Rafes Warnung alarmiert, hatte sie bereits begonnen, sich aus Varennes Griff zu winden, als die Pistole losging.
Sie versuchte noch, der Mündung von Varennes Waffe zu entkommen, als diese schon explodierte. Schießpulver brannte auf ihrer Wange. Varennes schwerer Körper riß sie zu Boden, und sie blieb reglos liegen. Warmes Blut floß ihr über das Gesicht; vielleicht war sie tödlich verwundet und spürte nur keinen Schmerz mehr …
Dann wurde die Leiche des Comte von ihrem Körper gezerrt, und Rafe half ihr, sich aufzusetzen. »0 Gott, Margot, alles in Ordnung?« Er barg ihr Gesicht sanft an seiner Brust und untersuchte, abwechselnd leise fluchend und betend, ihre Schläfe.
Maggies Lippen waren wie ausgedörrt. »Ich … ich glaube, das ist Varennes Blut«, brachte sie mühsam hervor.
Rafe umarmte sie so fest, daß sie befürchtete, ihre Rippen würden brechen. Sie zitterte heftig, und das Atmen fiel ihr schwer, weil ihr Gesicht an die kratzige Wolle seines Rockes gedrückt wurde. Doch trotz der Unbequem-lichkeit ihrer Position wünschte sie sich im Augenblick nichts weiter, als die Zeit anzuhalten und für ewig sicher und warm in seinen Armen geborgen zu sein.
Robins Stimme riß sie in die Realität zurück. »Varennes Männer werden jeden Augenblick hier hereinströmen, um zu sehen, wer geschossen hat. Auch wenn der Comte uns lieber lebend haben wollte, sind seine Gefolgsleute vielleicht nicht so großzügig.«
Er nahm Rafes Flinte wieder auf und preßte sie ungeschickt mit seinem gesunden Arm an seine Brust. »Wieviel Munition haben wir noch?«
So plötzlich, wie sie begonnen hatte, endete die Umarmung. Rafe ließ Maggie los, und in seinen Augen lag ein seltsamer, undefinierbarer Ausdruck, als er ihr auf die Fü-
ße half. »Nicht viel. Margot, hol die andere Waffe, während wir die Pferde satteln. Wenn wir alle gleichzeitig im vollen Galopp hier rausreiten, könnte wenigstens einer von uns durchkommen.«
Rafes Herz hämmerte, als er die Pferde sattelte. Wenn sie nicht sofort durchbrechen und losreiten würden, dann konnten sie es nicht mehr rechtzeitig zur Botschaft schaffen. Froh bemerkte er, daß eines der Pferde Varennes eigenes war. Es war ein außergewöhnlich manierliches Tier, das für Robin in seinem Zustand wie geschaffen war.
Draußen krachte ein Schuß, dem augenblicklich ein wahres Gewitter an Schüssen folgte. Eine Kugel sauste durch den oberen Teil der Stalltür, und Rafe duckte sich instinktiv. Varenne hat nicht gelogen, dachte er leise fluchend. Er hatte tatsächlich eine kleine Armee!
Dann ging das Getöse der Feuerwaffen zurück, als würden sich die Angreifer von den Stallungen wegbewegen.
Verwirrt führte Rafe die zwei Pferde nach vorne. Bevor er das dritte holen konnte, schwang die Stalltür auf. »Ergebt euch! Widerstand ist zwecklos!« brüllte eine Stimme auf französisch.
Margot hob ihre Flinte, und Rafe packte die andere, doch sie schossen nicht. Wer immer es war, der nun eintrat - er tat es mit derselben Vorsicht wie Rafe kurz zuvor.
Es war ein großer Mann, dessen Umriß sich im hellen Gegenlicht scharf abhob. Die gezogene Waffe in seiner Hand war deutlich zu erkennen …
Maggie identifizierte als erste die Uniform und das helle Haar des Oberst von Fehrenbach. Sie senkte die Waffe und fürchtete, vor Erleichterung ohnmächtig zu werden.
»Ich hoffe, Sie sind gekommen, um uns zu retten, Oberst«, sagte sie zittrig, »wir haben es nämlich dringend nötig.«
Beim Klang ihrer Stimme senkte auch der Oberst die Waffe und öffnete die Tür ganz. Hinter ihm tauchte Roussaye auf. »Dann haben wir es ja noch rechtzeitig geschafft«, sagte von Fehrenbach mit einem leichten Lächeln. »Madame Sorel wird erfreut sein.«
»Rechtzeitig, was uns betrifft, ja, aber wenn wir nicht in der nächsten Stunde Paris erreichen, dann wird die Versammlung der Außenminister in der britischen Botschaft in die Luft gesprengt werden.« Rafe umriß kurz die Situation, während sie die drei Pferde hinaus auf den Hof führten.
Es erklangen immer noch Schüsse, und Roussaye er-klärte es ihnen. »Unsere Männer treiben Varennes Leute am Fluß zusammen. Ohne ihren Anführer werden sie nicht lange Widerstand leisten. Einige
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