Wie ein Blütenblatt im Sturm
nicht besonders angenehm.
Die Jahre und die Schönen waren gekommen und gegangen, und nur wenige erinnerten sich noch an die strahlende Margot Ashton, die eine so kurze Zeit der Liebling Londons gewesen war. Rafe hatte gelernt, sein Vergnügen bei erfahrenen und willigen verheirateten Frauen zu suchen, ohne sich ernsthaft in eine Affäre zu verwickeln. Er brauchte dafür nicht zu bezahlen, es war ihm ein leichtes, Mätressen für ein paar schmeichelhafte Komplimente und gelegentliche kleine Geschenke zu bekommen.
Es hatte Rafe besonderen Spaß gemacht, Oliver Northwood Hörner aufzusetzen. Cynthia Browne war ein hübsches, fröhliches Mädchen gewesen, die Tochter eines vermögenden Landjunkers, und man sprach davon, daß sie eine glänzende Partie machen würde, als sie sich mit dem jüngeren Sohn eines Lords verlobte. Oliver war auf eine derbe Art attraktiv gewesen, und sie hatte damals noch nicht erkannt, was für ein Mann er war.
Nachdem sie von der Spiel-, Alkohol- und Hurenleiden-schaft ihres Mannes erfahren hatte, hatte sie den bitteren Entschluß gefaßt, es ihm gleichzutun. Obwohl es eigentlich nicht ihrer Natur entsprach, hatte sie sich ebenfalls Liebhaber genommen. Es war in der Tat tragisch: Wenn sie einen liebevollen Ehemann gehabt hätte, wäre sie ihm eine treue Frau und Mutter gewesen. Statt dessen jedoch hatte sie sich an jeden Mann verschenkt, der sie wollte.
Rafe war recht willig gewesen, ihr zu Gefallen. Nicht nur, daß Cynthia wirklich attraktiv war - die Affäre war eine Art Rache, denn obwohl Northwood niemals erfahren hatte, wie seine Indiskretion Rafes Leben zerstört hatte, gab es Rafe eine gewaltige Befriedigung, ihm etwas davon zurückzahlen zu können, indem er mit seiner Frau ins Bett ging.
Die Affäre hatte nicht lange gedauert, denn Cynthias Verzweiflung war ihm unangenehm gewesen, und er hatte sich locker und geschickt von ihr getrennt. In den folgenden Jahren hatte er Cynthia manchmal bei gesellschaftlichen Anlässen wiedergesehen und war froh gewesen, daß sie offenbar ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte und sich nun nicht mehr billig verkaufte.
Kürzlich hatte er Gerüchte gehört, die sie mit einem Soldaten in Verbindung brachten - vielleicht der Major, mit dem sie auf dem Ball gesprochen hatte. Rafe fragte sich, ob sie den Mann wirklich liebte oder ihn nur wieder als eine Waffe im Krieg gegen ihren Mann benutzte.
Dennoch: Ihre Taktik schien zu greifen. Oliver Northwood war definitiv ein Schürzenjäger, aber er verabscheute es, wenn seine Frau sich die gleichen Freiheiten heraus-nahm. Wahrscheinlich würde schließlich einer von beiden den anderen ermorden.
Als er die Stufen zu seinem Hotel hinaufging, schwor Rafe sich, daß er sich niemals in das Kreuzfeuer der beiden hineinziehen lassen würde. Paris schien ihm auch so unerfreulich genug zu werden.
Kapitel 4
OCH BEVOR SIE am nächsten Morgen die Augen öff-N nete, fiel Maggie die Begegnung mit Rafe Whitbourne wieder ein. Sie schauderte zusammen. Unmöglich, dieser Mann! Normalerweise bewunderte sie die kühle, britische Gelassenheit, aber genau das brachte sie bei Rafe auf.
Was immer er an Wärme und Spontaneität als junger Mann besessen hatte, war offenbar mit der Zeit verschwunden.
Sie lag still im Bett, lauschte den Geräuschen des Morgens - das Quietschen eines Karrens, verschiedene Schritte, der ferne Schrei eines Hahns. Normalerweise stand sie zu dieser Stunde auf, nahm Kaffee und ein warmes Croissant zu sich und begab sich dann zum Ausritt nach Longchamps. Jetzt aber stöhnte sie nur, zog sich die Decke über den Kopf und vergrub sich tief in ihrem Bett, während sie den Tagesablauf plante.
Eine halbe Stunde später klingelte Maggie ihrer Zofe Inge nach dem Frühstück. Während sie von dem starken französischen Kaffee nippte, notierte sie sich die Namen der Informanten, die sie zuerst kontaktieren wollte.
Es wurde allgemein angenommen, daß weibliche Spione Informationen in Rückenlage sammelten, aber Maggie hielt diese Methode für zu begrenzt, zu ermüdend und zu lästig. Daher hatte sie eine andere Technik entwickelt, die, soweit sie wußte, einzigartig war: Sie hatte das erste weibliche Spionagenetz aufgebaut.
Männer mit Geheimnissen mochten anderen Männern gegenüber vorsichtig sein, doch sie benahmen sich erstaunlich nachlässig in Gegenwart von bestimmten Frauen. Zofen, Waschfrauen, Prostituierte und andere >minderwerti-ge< weibliche Wesen erfuhren oft mit Leichtigkeit, was vor sich ging,
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