Wie ein Blütenblatt im Sturm
genauso vernichtet gewesen wie Cynthia Northwood, wenn sie es das erste Mal erfahren hätte.
Statt sich allerdings selbst der Promiskuität hinzugeben, hätte sich Maggie wahrscheinlich in eine zornige Furie verwandelt, die weder seine Untreue akzeptieren noch ihn gehen lassen würde. Rafe hätte vermutlich mit Ungläubigkeit und Verlegenheit reagiert und bedauert, daß er nicht eine feinsinnigere Frau genommen hatte, die verstand, wie die Welt funktionierte.
Je mehr Maggie gekämpft hätte, desto weiter hätte er sich von ihr entfernt. Die Liebe wäre gestorben, und sie hätten sich gegenseitig das Leben schwergemacht. Das alles wäre vorgezeichnet gewesen.
Da sie sich soeben selbst bewiesen hatte, wie froh sie sein konnte, daß Rafe die Verlobung gelöst hatte - warum machte diese Schlußfolgerung sie nicht glücklich?
Entnervt legte Maggie sich den Oberarm über die Augen, um - vergeblich - zu versuchen, Rafes Bild zu vertreiben.
Es war ein schwacher Trost, in seinem Leben die einzige Frau zu sein, die ihn zurückgewiesen hatte. Aber war das wirklich besser als nichts?
Maggie und Rafes Besuch im Louvre mit den Roussayes erwies sich auf unerwartete Weise als höchst lehrreich.
Napoleon hatte Kunstschätze erbeutet, wo immer er gewesen war, und sie dann in dem alten Palast ausgestellt.
Er war >Musée Napoléon< genannt worden, und in den wunderschönen Galerien wurden Staatsempfänge gegeben.
Kunst war zu einem Hauptstreitpunkt der Verhandlungen geworden. Die eroberten Nationen wollten verständlicherweise ihre Gemälde und Skulpturen zurück, während die französischen Royalisten und die Bonapartisten sich einig waren, daß die Beutestücke Früchte der Eroberungen waren. Der Punkt war noch ungeklärt, wenn es auch höchstwahrscheinlich zugunsten der Alliierten ausgehen würde. Der einzige Herrscher, der nichts dagegen hatte, den Franzosen die Kunstwerke zu lassen, war der Zar, der selbst nichts verloren hatte.
Als die zwei Paare vor einem herrlichen Tizian ste-henblieben, spielte Roussaye indirekt auf die Problema-tik an. »Wir müssen das alles bewundern, solange wir es noch können. Noch nie hat es eine solche Sammlung gegeben, und vielleicht wird die Welt nichts Gleichwertiges mehr sehen.«
Sie betrachteten respektvoll das Gemälde, als eine Stimme hinter ihnen erklang. »Sie haben recht, General Roussaye. Dieses Museum gehört zu den schönsten Er-trägen des Kaiserreichs.«
Die dunkle, flüsternde Stimme ließ Maggie die Nak-kenhärchen zu Berge stehen. Sie wandte sich um und entdeckte den Comte de Varenne.
Michel Roussaye erwiderte kühl: »Es überrascht mich, daß ein Royalist irgendeine Tat Bonapartes bil-ligt.«
Der Comte lächelte. »Ich bin ein Royalist, kein Narr, General Roussaye. Der Kaiser war der Riese unserer Generation, und nur ein Dummkopf würde das zu bestrei-ten versuchen.«
Die Bemerkung verursachte eine deutliche Entspan-nung in der Miene des Generals.
»Wie Sie«, fuhr Varenne fort, »bin ich hier, um mich von einigen meiner Lieblingsgemälde zu verabschie-den.«
Die Worte waren kaum heraus, als ein Stück weiter den Flur entlang einige Unruhe entstand. Zwischen französischen Rufen signalisierte das gleichmäßige Stamp-fen von Füßen den Einmarsch einer Soldatenkompanie.
Maggie erkannte die Uniformen als preußisch. Unter den ungläubigen Blicken der Museumsbesucher begannen die Soldaten, Bilder von den Wänden zu nehmen.
General Roussaye eilte rasch zu ihnen und verlangte wütend Aufklärung. »Mit wessen Genehmigung tun Sie das?«
Der preußische Befehlshaber wandte sich um, und Maggie erkannte Oberst von Fehrenbach. Mit kalter Zufriedenheit antwortete dieser: »Mit der des Eigentü-
mers. Da die Verhandlungen immer noch auf dem Stand vom Juli sind, nimmt sich Preußen nun, was Preußen ge-hört.«
Maggie wollte sich keine Einzelheit dieser Auseinandersetzung entgehen lassen und setzte sich in Bewegung, doch Rafe faßte ihr Handgelenk und hielt sie auf.
»Halt dich da raus«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Maggie überlegte, ob sie protestieren sollte, aber der gesunde Menschenverstand sagte ihr, daß er recht hatte.
Der Comte de Varenne hatte sich zu seinem Lands-mann gesellt. Wenn sein Tonfall auch weniger heftig war, klang er genauso feindselig. »Der Wiener Kongreß hat Frankreich erlaubt, seine Schätze zu behalten, und es ist keinesfalls sicher, daß diese Entscheidung aufge-hoben wird. Was Sie hier tun, ist
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