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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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gewaltigen Vier-Pfosten-Bett. Die Ironie der Situation entging ihm nicht. Er hatte davon geträumt, sie in seinem Bett zu haben, aber nicht so - bei Gott, nicht so!
    Er zündete die Kerzen eines Leuchters an und stellte ihn auf den Nachttisch. Maggies bleiches, dreckver-schmiertes Gesicht wirkte seltsam friedlich, als er das zerrissene Hemd über ihre nackte Brust zog.
    Ein gähnendes Zimmermädchen in einem Hausmantel trat ein und trug ein weißes Kleidungsstück über dem Arm.
    Rafe sah auf. »Ich kaufe dir das Nachthemd ab. Zieh die Dame aus und streif es ihr über.«
    Das Zimmermädchen blinzelte. Wenn Gentlemen Frauen herbrachten, waren sie gewöhnlich daran interessiert, das Ausziehen selbst vorzunehmen. Mit einem sehr französischen Achselzucken tat sie, wie geheißen.
    Rafe verließ das Zimmer. Bekannte, die ihn als großen Frauenhelden kannten, hätten sich sicher darüber totge-lacht, aber nach dem, was Maggie eben durchgemacht hatte, wäre es ihm wie ein unverzeihliches Eindringen in ihre Privatsphäre erschienen, zuzusehen oder sie selbst zu entkleiden.
    Ein paar Minuten später ging das Mädchen wieder in ihr Bett, wobei ihre schläfrigen Augen sich weiteten, als sie auf Rafes Trinkgeld starrte.
    Als er wieder in sein Schlafzimmer kam, lag Maggie unter der Decke, als würde sie friedlich schlafen. Das einzige, was auf die Ereignisse des Abends hinwies, war ein Kratzer auf ihrem Wangenknochen. Das Mädchen hatte ihr Haar gekämmt, daß es nun wie feingesponnene goldene Seide um ihren Kopf herum lag. Zarte Spitze umrahmte den Ausschnitt des Musselin-Nachthemds, und sie wirkte auf ihn wie ein kleines Mädchen - nur daß kleine Mädchen nicht eine solche Figur besaßen.
    Dank der Überredungskunst oder den Drohungen von Rafes Kammerdiener kam der Doktor bald. Der Arzt erfuhr nur, daß seine Patientin in einen Straßenkampf geraten war, und untersuchte sie, während Rafe rastlos in dem übermöblierten Salon auf und ab wanderte.
    Nach einer schier endlosen Zeit kam der Doktor zu ihm.
    »Die junge Dame hat viel Glück gehabt. Keine gebroche-nen Knochen, keine Anzeichen für innere Verletzungen, nur Prellungen. Außer heftigen Kopfschmerzen wird sie morgen nicht mehr viel spüren.«
    Mit einem Blick auf Rafe fügte der Doktor hinzu: »Soll ich Sie nicht auch untersuchen? Sie sehen so aus, als wä-
    ren auch Sie ein wenig in Mitleidenschaft gezogen.«
    Rafe machte eine ungeduldige Geste. »Mit mir ist alles in Ordnung. Oder zumindest alles Wichtige«, präzisierte er. Nun, da seine Furcht langsam schwand, merkte er, daß er am ganzen Körper schmerzhafte Prellungen hatte. Es war wie damals, als er auf einem Querfeldeinrennen vom Pferd gefallen und das halbe Feld über ihn galoppiert war.
    Nachdem er seinen Kammerdiener wieder ins Bett geschickt hatte, machte Rafe ein Feuer im Kamin, dann zog er seinen Rock und seine Stiefel aus und ließ sich mit einem Brandy auf einem Sessel neben dem Bett nieder. Er wollte nicht, daß Maggie an einem fremden Ort ohne ein bekanntes Gesicht aufwachte, also würde er hier sitzen bleiben, bis sie das Bewußtsein wiedererlangt hatte. Während er seine langen Beine ausstreckte, dachte er ohne Humor, daß sie ihn zwar hassen konnte - vertraut war sein Gesicht ihr aber wenigstens.
    Er trank den Brandy und wünschte sich, er könnte das Bild, wie seine Kugel in Lemerciers Kopf eindrang, auslö-
    schen. Da es nicht funktionierte, zwang er sich, der Tatsache ins Gesicht zu sehen, daß er einen Mann getötet hatte.
    Hätte er es auch in einer anderen Situation gekonnt? Er hatte aus purem Instinkt gehandelt, und offenbar waren seine Instinkte ziemlich wild. Zumindest wenn Maggie im Spiel war. Hätte er eine Kanone gehabt, hätte er auch diese zu ihrem Schutz in die Menge abgefeuert.
    Müde rieb er sich die Schläfen. Der Schuß war nötig gewesen, und unter den gleichen Umständen würde er es wieder tun. Doch einen Menschen zu töten, war kein Akt, den man als bedeutungslos abtun konnte. Vielleicht würde er eines Tages seinen Freund Michael Kenyon, der Soldat war, fragen, ob man sich jemals ans Töten gewöhnt.
    Oder vielleicht würde er doch nicht fragen. Es schien, als gäbe es eine lange Reihe von Fragen, die er lieber nicht beantwortet haben wollte.
    Er war eingedöst, als schwache, ruhelose Bewegungen ihn weckten. Er setzte sich auf und sah Maggie, die sich hin- und herwarf, heftig und rasselnd atmete, während ih-re Miene angstverzerrt war. Während er noch zusah, bäumte sie sich

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