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Wie ein boser Traum

Wie ein boser Traum

Titel: Wie ein boser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Webb Debra
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auf, öffnete die Tür. »Sie können Ihre Sachen an der Ausgabestelle abholen. Sie sind vorerst auf freiem Fuß.«

    Sie erhob sich von der Pritsche in der drei mal vier Meter großen Zelle. »Warum?«
    Trotz der unangenehmen Aufgabe, die noch vor ihm lag, lachte er. Emily Wallace war, ganz gleich, welche Scheußlichkeiten das Leben für sie bereithielt, noch immer viel zu naiv. »Die meisten Leute fragen nicht, warum, wenn sie die Gelegenheit bekommen, ungeschoren davonzukommen.«
    Ihr Blick verriet einen Anflug von Zweifel. »Also … gut.«
    Die Erschöpfung machte ihm arg zu schaffen. Er hatte seit achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Wann er zuletzt etwas gegessen hatte, wusste er auch nicht. Er war hundemüde. Hauptsächlich aber hatte er die Schnauze voll von den Lügen und Geheimnissen und … dem Mord. Verdammt, er hatte die Schnauze ebenso voll von der Wahrheit wie von den Täuschungen und dem Verrat.
    Emily blickte sich um, als erwartete sie, dass gleich jemand aufspringen und ihr erklären würde, sie wäre soeben veralbert worden.
    Sie trat aus der Zelle. »Vielen Dank.« Sah ihn an, immer noch unsicher. »Wird mir irgendetwas zur Last gelegt?«
    Ray schüttelte den Kopf. »Ich werde Ihnen jedoch die Rechnung für die Reparatur des Fensters schicken.«
    Sie zögerte, gerade so lange, dass er merkte, dass sie noch etwas sagen wollte. Aber sie tat es nicht. Sie ging einfach weiter.
    »Nur noch eines«, sagte er und verfluchte sich sofort dafür. Mehr Rat wäre zu viel gewesen, und doch musste er sie warnen. Als sie sich zu ihm umwandte, sagte er:
»Sie müssen von nun an sehr vorsichtig sein, Emily. Die Wahrheit ist manchmal anders, als sie uns erscheint.«
    Dazu hatte sie nichts zu sagen. Kerzengerade drehte sie sich um und ging mit langen Schritten zum Ausgabeschalter. Wenn er ihr doch nur begreiflich machen könnte, dass die Dinge nicht so lagen, wie es schien.
    Er selbst hatte es auf die harte Tour gelernt.
     
     
    11.00 Uhr
     
    Sie folgte ihm, sobald er das Rathaus verlassen hatte.
    Vielleicht war er es, der diese Wut in ihr auslöste.
    Misty war es leid, dass die Männer so viel Macht besaßen. Leid. Leid. Leid.
    Sie hätte schon längst mehr dagegen unternehmen sollen. Aber sie hatte geglaubt, es wäre vorbei. In dieser Welt bedeuteten Männer Ärger. Sie sorgten dafür, dass Frauen sich ängstlich und verletzlich fühlten. Sie betrogen die Frauen, die sie doch eigentlich lieben sollten. Zettelten Kriege an. Verübten alle Arten von Gräuel. Und sie glaubten, sie könnten alles besser.
    Aber dem war nicht so. Sie war mit den besten Noten von der Highschool und der Universität von Alabama abgegangen. Keiner ihrer Kommilitonen war so brillant gewesen wie sie. Sie hätte als Ingenieurin arbeiten können. Hätte eine bedeutende Wissenschaftlerin werden können. Aber sie hatte sich für den Lehrerberuf entschieden, um ihrer liebsten Freundin nahe zu sein.
    Manche Frauen machte ihre Schönheit für Männer anfällig. Sie wurden verletzt. Wurden als selbstverständlich hingenommen.

    Nun, Misty war es leid, das mit anzusehen. Sie war es leid, sich machtlos zu fühlen.
     
     
    Jagdhütte der Familie Hale
11.24 Uhr
     
    Ray konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal zum Jagen hier heraufgefahren war. Seit dem Tod des Vaters vor acht Jahren machte er sich nicht viel aus der Jagd, sein Vater dagegen hatte sie geliebt. Zwar hatte sein alter Herr die Jagd zweifellos als Sport betrachtet, doch er hatte nie auf etwas geschossen, was er nicht auch essen wollte. Raymond Hale sen. hatte darauf bestanden, dass dies die einzig richtige Art sei.
    In Wirklichkeit hatte Ray in jüngster Zeit die einsam gelegene Hütte doch aufgesucht. Aber seine Besuche hatten nichts mit der Jagd zu tun. Er hatte sie hier getroffen, in dieser Hütte, die sein Vater und Großvater vor einem halben Jahrhundert gebaut hatten, um über Austins mögliche Bewährung zu sprechen. Sie hatte darauf bestanden, dass er etwas tun und der Sache Einhalt gebieten müsse.
    Er hatte ihr erzählt, dass es zu spät dafür sei. Viel zu spät. Sie müsse sich einfach damit abfinden.
    Tatsächlich aber hatte Ray sich besonders stark dafür eingesetzt, dass Clint auf Bewährung herauskam, teilweise, um ihr das Leben schwerzumachen. Hauptsächlich aber hatte er es getan, weil es das Richtige war.
    Austin hatte genug gebüßt – mehr als genug.
    Ray hatte gehofft, dass es ihn ein wenig von seinen Schuldgefühlen befreien würde, wenn er

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