Wie ein dunkler Fluch
»Klingt doch großartig«, unterbrach McBride, als Worth gerade zum nächsten Abschnitt in seinem Monolog ansetzen wollte, »aber Sie haben uns wegen einer E-Mail hierherbestellt.« Er neigte fragend den Kopf. »Gibt es eine Mail, die wir uns ansehen müssen? Sie stehlen mir die Zeit mit einer Freundin.« In Moment
war Jack Daniel’s sein bester Freund. Nimm’s mir nicht übel, schöne Vivian Grace. Aber vermutlich würde sie lieber tot umfallen, als mehr Zeit als nötig mit ihm zu verbringen. Wenn er schlau war, würde er sich dieselbe Einstellung zulegen.
Sie saß neben ihm, verlagerte ihr Gewicht auf dem Stuhl – ein klares Anzeichen dafür, dass sein arrogantes Auftreten gegenüber Worth sie nervös machte.
Damit musste sie klarkommen.
»Ja, McBride«, sagte Worth, »es gibt eine weitere E-Mail vom Täter, der sich selbst als Treuer Fan bezeichnet.«
Worth klappte die Aktenmappe auf, die er auf den Schreibtisch gelegt hatte, zog ein Blatt Papier heraus und reichte es über den Schreibtisch. »Lesen Sie selbst.«
McBride las die Mail, und jedes einzelne Wort steigerte seine innere Anspannung, bis es ihn fast erstickte.
McBride,
bravo! Sie haben Alyssa Byrne gerettet. Sie haben sicherlich erkannt, wie simpel meine Aufgabe war. Ich wollte Ihnen einen Probelauf gönnen, falls Sie ein wenig eingerostet sind. Also, wir wollen die mal daran erinnern, was für ein Könner Sie wirklich sind. Die nächste Aufgabe wird nicht so einfach sein. Schlafen Sie erst einmal richtig aus. Morgen schicke ich Ihnen per Mail die nächste Aufgabe. Bald werden die mich richtig kennenlernen!
Hochachtungsvoll,
Ihr Treuer Fan
McBride reichte das Blatt Grace, ohne sie dabei anzusehen.
Wer zum Teufel war dieser Typ?
Er wischte sich mit der Hand durchs Gesicht. Was zum Kuckuck wollte der Dreckskerl von ihm?
Die Tochter der Byrnes zu finden war ein Kinderspiel gewesen. So, wie in der E-Mail angedeutet, waren die Hinweise leicht zu durchschauen, der Zeitraum lächerlich großzügig bemessen gewesen.
Damit endete jedoch der gute Teil.
Kapierte dieser Irre es denn nicht? Er, McBride, war tatsächlich eingerostet. Den Special Agent in ihm gab es nicht mehr, der war Vergangenheit. Es führte kein Weg zurück zur Legende , die er einmal gewesen war. Nicht jetzt, nicht morgen.
Entschlossen, Worth nicht zu erheitern, packte McBride die Stuhllehnen, damit sein Hände nicht zitterten. Wenn er dem Treuen Fan eine Mail schickte und ihm auf den Kopf zusagte, dass er kein Held mehr war, würde der Typ ja vielleicht verschwinden.
Ja, gut. Und anschließend konnte er dem Weihnachtsmann seine Wunschliste schicken. Der eine Plan war genauso realistisch wie der andere.
»Die Sache ist noch längst nicht vorbei«, sagte Worth, als Grace von dem Blatt Papier hochsah. »Wer immer dieser Treue Fan ist, fürs Erste müssen wir davon ausgehen, dass er es ernst meint mit seinem Plan, Sie … äh …« – sein Blick fiel auf McBride – »wieder zum Helden zu machen.«
Dass Worth Letzteres erkennbar spöttisch gesagt hatte, störte ihn nicht. Er war schon von wichtigeren Ärschen beleidigt worden.
»Sieht so aus«, pflichtete er Worth bei. Sinnlos, das Offensichtliche zu leugnen. »Also – haben Sie und Quantico einen Plan?« Das war die übliche Strategie in Situationen wie dieser. Selbst wenn Quantico keinen Profiler oder ein Team zur Unterstützung losschickte, hatten die in der Regel einen Rat.
»Wir haben keine andere Wahl, als zu reagieren.« Worth ließ sich auf seinem Stuhl nieder und vermittelte den Eindruck, als hätte er sich beruhigt, aber McBride entging die Anspannung seiner Kinnpartie und des Mundes keinesfalls. »Ich werde drei meiner besten Agenten auf den Fall ansetzen: Talley, Aldridge und Davis; sie arbeiten mit Ihnen bis zum Abschluss der Ermittlungen zusammen. Sobald wir ein klareres Bild haben, worauf das Ganze hinausläuft, wird Quantico uns liefern, was immer wir brauchen. Zurzeit haben wir weder ein Tatmuster noch irgendwelche verwertbaren Beweismittel. Wir haben gar nichts.« Worth richtete sein Augenmerk auf McBride, schenkte Grace kaum mehr als einen Blick. »Wir werden Sie natürlich im Tutwiler unterbringen, so lange wie nötig. Da Sie nicht auf einen längeren Aufenthalt eingestellt sind, wird Agent Davis Ihnen alle erforderlichen persönlichen Dinge besorgen.«
Worth war ein fleißiges Bienchen gewesen.
»Sosehr ich Ihre Aufmerksamkeit für Details schätze, vor allem die persönlichen«, entgegnete McBride
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