Wie ein dunkler Fluch
hochattraktive Stelle in Baltimore frei geworden war. Sie hatte einen der besten Abschlüsse ihres Jahrgangs, aber Pierce hatte sie bei der Bewerbung ausgebootet, obwohl der Job rechtmäßig ihr gehörte. Alles wegen der verdammten Vergangenheit …
»Wenn er auf irgendeine Weise Einfluss auf meine Karriere nimmt«, sagte sie, »dann grenzt das an Mobbing. Ich werde das nicht zulassen, Sir.« Sie hatte es schon einmal gesagt, und sie meinte es auch. Sosehr ihr Agent Pierce früher einmal lieb gewesen war, es irgendwie immer noch war, sie würde seine Einmischungen nicht mehr dulden.
»Er hat von dieser Sache mit McBride erfahren und wollte hören, wie die Dinge so laufen.« Worth sah sie lange forschend an; dann sagte er: »Er macht sich Sorgen um Sie, Grace. Sollte er das?«
Es gab eine Reihe von Dingen, die sie Worth sagen wollte, damit er sie Pierce ausrichtete, behielt sie aber für sich. »Richten Sie ihm aus, es geht mir gut. Sonst noch etwas, Sir?«
Worth schüttelte den Kopf; Vivian verließ sein Büro
und schritt in Richtung Treppenhaus. Wenn sie die Treppe rasch hinunterging, konnte sie etwas Dampf loswerden. Pierce hatte kein Recht, ihr nachzuspionieren. Sie war durchaus in der Lage, diesen Auftrag zu erledigen. Es war ihr Fall. Endlich. Und sie würde nicht zulassen, dass Pierce das Vertrauen von Worth in sie untergrub.
In der Lobby zögerte sie und dachte über die Fakten nach. So gern sie geglaubt hätte, dass die endgültige Entscheidung, ihr diesen Fall anzuvertrauen, auf ihren Fähigkeiten beruhte – sie wusste es besser. Vor allem, wenn sie den Anruf einbezog, den Worth bekommen hatte.
Sie ermittelte in diesem Fall, weil McBride darauf bestanden hatte.
Dafür schuldete sie ihm eine gewisse Loyalität.
Er wartete auf dem Parkplatz, neben ihrem SUV, die unvermeidliche Zigarette im Mundwinkel. Dass ihr Blick darauf fixiert blieb, als sie näher kam, war kein gutes Zeichen. Objektiv sein, das war jetzt entscheidend. Sie musste verhindern, dass er ihr – egal in welcher Hinsicht – zu nahe kam.
»Ich denke, Sie sollten meine Nummer in Ihr Handy eingeben«, sagte sie und kramte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. Sie betätigte die Zentralverriegelung. Wenn sie schon zusammenarbeiten sollten, konnten sie sich genauso gut wie Partner verhalten. »Und Sie sollten wissen, dass ich Ihren Vertrauensbeweis zu würdigen weiß. Dass Sie mir so viel Vertrauen entgegenbringen, dass Sie so eng mit mir zusammenarbeiten wollen, ist …«, sie hob die Schultern, entschied sich für Lässigkeit, »… schmeichelhaft.«
O Gott. Klang das so dumm, wie sie annahm?
McBride zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, ehe
er sie ausdrückte und Vivians Blick schließlich über die Motorhaube des Explorers hinweg erwiderte.
»Ich würde das nicht Vertrauen nennen, Grace«, korrigierte er in seiner arroganten Art, die bei ihm rätselhafterweise sexy klang. »Meine Optionen waren begrenzt, und Sie waren der sicherste Kandidat. Hoffen wir, dass wir die Sache hinter uns bringen, ohne es zu bereuen.« Irgendetwas an der Art, wie er das sagte, die offenkundige Unsicherheit bei einem Mann, dessen Ruf als der Beste beispiellos war, unbeschädigt durch Fehlschläge – bis auf das eine Mal -, machte sie selbst unsicher.
Zum ersten Mal in ihrem Berufsleben fragte sie sich, ob sie diesen Fall wirklich beherrschte. Und wenn nun die anderen Recht hatten und die Vergangenheit sie irgendwie so beschädigt hatte, dass sie scheiterte?
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
8
Wal-Mart Supercenter
Hackworth Road
23.00 Uhr
Es war fast so weit.
Martin packte das Lenkrad. Er plante das schon so lange. Hatte gewartet und gewartet. Schließlich war die Zeit gekommen.
Nichts konnte ihn mehr davon abhalten, seine Mission erfolgreich zu beenden.
Der schwierigste Teil war zunächst gewesen, den Überwachungskameras auszuweichen. Jeder Wal-Mart war mit Videokameras ausgerüstet, die das Innere und die Umgebung des Gebäudes überwachten, darunter den Parkplatz. Ein Unternehmen, das eine so umfassende Überwachung seiner Kundschaft für erforderlich hielt, musste einen ins Grübeln bringen.
Aber Martin wusste, dass es nicht nur die Schuld von Wal-Mart war, auch nicht die der ganz normalen Kunden. Allerdings: Wal-Mart hatte Wege gefunden, auch die strengsten gesetzlichen Vorschriften zu umgehen. Jammerschade, dass es nicht mehr Helden wie Special Agent Ryan McBride gab, die die Unschuldigen zu schützen
Weitere Kostenlose Bücher