Wie ein dunkler Fluch
dass sie, allein mit diesem Mann, nicht sie selbst war.
»Sehr aufmerksam von Ihnen.« Er warf den Notizblock aufs Bett und ging zum Stuhl hinüber, unter dem seine Schuhe standen. Zog die ziemlich abgetragenen Sportschuhe an, ohne sie aufzuschnüren, und erhob sich. »Sind wir so weit?«
Sie rückte den Riemen ihrer Handtasche zurecht und bereitete sich in Gedanken auf den nächsten Überraschungsangriff auf ihr inneres Gleichgewicht vor. »Bin so weit.«
Er ging an ihr vorbei und hielt ihr die Tür auf wie ein perfekter Gentleman, der er, wie sie aus eigenem Erleben wusste, nicht war.
»Worth hat angerufen.« Sie räusperte sich, was allerdings nicht dazu führte, das die anhaltende Enge in ihrer Brust, hervorgerufen durch ihre Ängste vor dem Unberechenbaren, verschwand. »Der Zehenanhänger war nicht der einzige Gegenstand aus dem Forschungszentrum der Universität von Alabama; die Ratten kamen auch von dort.«
Auf dem Flur folgte McBride ihr, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. »Wurden die Ratten getötet?«
»Laut dem Bericht waren sie bereits tot und sollten verbrannt werden.« Sie ging über den Flur in Richtung der Aufzüge. »Der Laborant, der ihr Fehlen bemerkt hat, hat gestern bei seinem Dienstvorgesetzten einen entsprechenden Bericht eingereicht.«
»Schwarz steht Ihnen gut, Grace.«
Der Rhythmus ihrer Schritte änderte sich, und im
Handumdrehen war sie wieder unsicher. Am Lift angekommen, drückte sie den Anforderungsknopf. Wie schaffte er das nur? Noch wichtiger: Warum ließ sie das zu?
»Vielen Dank«, gab sie zurück, so eisig, dass er Frostbeulen davon hätte bekommen können. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er ihren Hintern anglotzte.
Das »Pling« verkündete die Ankunft des Lifts einige Sekunden bevor die Türflügel auseinanderglitten. Sie betrat die Kabine, drückte den Kopf »Erdgeschoss« und wartete ein wenig bang, dass der Lift wieder anfuhr. McBride nahm an der Rückwand seine übliche Haltung ein. Sie konzentrierte sich auf die vorüberhuschenden Stockwerkszahlen.
Fast am Ziel angekommen, tat er etwas, was sie fast nach ihm hätte schlagen lassen. Er trat ganz nahe von hinten an sie heran, als der Fahrstuhl auf den letzten Metern langsamer wurde. Sie reagierte auf seine Nähe körperlich in einer Weise, dass sie am liebsten ins Kloster gegangen wäre.
»Tun Sie mir einen Gefallen, Grace.« Sein Atem wärmte die Haut an ihrem Nacken.
»Wie bitte?« Sie drehte sich nicht zu ihm um. Sie wagte es kaum, sich zu rühren, weil er praktisch an ihr lehnte.
Und sich noch näher zu ihr herabbeugte – und ihr zuflüsterte: »Wenn wir Sex haben, tragen Sie bitte diese Schuhe.«
Der Fahrstuhl kam zum Stehen, die Türen glitten auf. Sie zögerte, ehe sie aus der Kabine trat. Während dieser Pause drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. Ihr
stockte der Atem. Sie hasste es, dass sie so reagierte, aber sie war auch nur ein Mensch. Umso mehr Grund, die Sache hinter sich zu bringen. »Machen Sie nur so weiter, McBride.«
Und damit ging sie mit langen Schritten durch das Foyer und zur Tür hinaus, dorthin, wo ihr Explorer unter dem Baldachin stand.
Zeit, zur Arbeit zu fahren und den anderen bösen Buben zu fassen.
1000 Eighteenth Street
9.30 Uhr
»Der Treue Fan hat seine Spuren im Internet erneut gründlich beseitigt«, sagte Worth zu den im Konferenzraum versammelten Personen. »Quantico kann uns erst dann ein Profil des Täters liefern, wenn wir denen etwas geben, womit sie arbeiten können. Mehr als reagieren können wir zurzeit nicht.«
Worth hatte auf täglichen Briefings bestanden. Teilnehmer waren Aldridge, Pratt, Schaffer und Davis, wobei Schaffer diesmal draußen im Einsatz war. Die Besprechungen waren eine gute Idee. Die Agenten bildeten seine und Grace’ Verstärkung, und er wollte sie nicht im Hintergrund halten. Ziel war trotzdem, die Operation möglichst geheim zu halten und nur nötigenfalls die örtliche Polizei hinzuzuziehen. Das Bureau wusch seine schmutzige Wäsche nicht gerne in aller Öffentlichkeit, zumal dann nicht, wenn es um einen Ex-Agenten ging, dessen Abgang bereits einen erheblichen Wirbel verursacht hatte.
McBride richtete den Blick auf Grace, die ihm gegenübersaß.
Die silberfarbene Bluse, die sie unter dem schwarzen Jackett trug, zeigte fast einen Hauch von Dekolleté. Als sie das Jackett aufgeknöpft und am Tisch Platz genommen hatte, war er angenehm überrascht gewesen. Das Haar wurde von einer glänzenden silbernen
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