Wie ein Flügelschlag
entfernt und die Haustür
weiter aufgezogen.
Ich wollte mich gerade bedanken, als ich die Hand sah, die
Melanies Mutter am Arm fasste und nach hinten zog.
»Jana? Bist du etwa wieder mit dem Fahrrad bis zu uns hinausgefahren?
Du hast uns gestern Abend einen ganz schönen
Schreck eingejagt.« Doktor Wieland schob sich in die offene
Tür und versperrte mir den Weg.
Scheiße. Damit, dass ihr Vater zu Hause war, hatte ich nicht
gerechnet.
»Ich wollte Mel etwas bringen und ganz kurz mit ihr reden.«
Fast hätte ich gestottert. Ich versuchte, an Mels Vater vorbeizuschielen.
Wieland nahm mir das Blatt aus der Hand. »Tut mir wirklich
leid, aber Melanie möchte nicht mit dir reden.«
»Aber warum …?«
Er hob die Schultern. »Zickenterror vielleicht? Ich habe ja
keine Ahnung, was zwischen euch vorgefallen ist, aber ich denke,
du gehst jetzt besser.« Er machte einen Schritt nach vorne.
Ich glaubte ihm kein Wort. Aber solange ich nicht wusste, ob
Wieland bei der Sache nicht doch seine Finger im Spiel hatte,
wollte ich ihn nicht unnötig reizen.
Ich wich ein Stück zurück.
»Dann geh ich mal wieder«, murmelte ich und versuchte,
noch einmal an ihm vorbeizuschielen.
»Mach dir nichts draus. Sie wird sich schon wieder einkriegen.
Du weißt ja, wie Mädchen manchmal sind.« Wieland lächelte.
Es war das professionelle Lächeln eines Arztes, der seinem
Patienten eine schlechte Nachricht mitteilen musste.
Ich schwieg. Im Moment konnte ich nichts anderes tun, als
abzuhauen. Das Gespräch mit Mel musste warten, so viel hatte
ich begriffen.
Scheinbar gelassen wandte ich mich zum Gehen, aber in
mir brodelte es vor Wut. Am liebsten hätte ich dem schwarzen
Wagen am Fuß der Treppe eine dicke Beule verpasst. Ich musste
mich schwer zusammenreißen, um nicht einfach zuzutreten. Als
ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen, wischte ich
mir schnell mit dem Ärmel übers Gesicht. Das fehlte noch, dass
ich unter dem Blick dieses arroganten Typs anfing zu heulen!
Hinter mir knallte die Tür ins Schloss. Nur mühsam widerstand
ich dem Drang, mich noch einmal zum Haus umzudrehen.
Ich wollte gar nicht wissen, ob Mel hinter dem Vorhang
stand und mir nachschaute.
Beim Fahrrad brauchte ich ewig, um den kleinen Schlüssel ins
Schloss zu kriegen. Meine Finger waren rot und ganz steif vor
Kälte. Ich fluchte, als mir der Schlüssel zum dritten Mal aus der
Hand rutschte und in den Schnee fiel.
»Kann ich dir helfen?«
Ich fuhr herum. Hinter mir stand Mika. Schnell fischte ich
den Schlüssel wieder vom Boden auf und fummelte weiter an
dem Fahrradschloss herum.
»Danke, nicht nötig. Ich komm schon klar.«
»Mit den Fingern ganz bestimmt nicht, die sind ja so gut wie
erfroren.«
Behutsam nahm Mika mir den Schlüssel aus den Händen und
bückte sich zu meinem Fahrrad hinunter. Ich unterdrückte den
Impuls, ihn festzuhalten, um seine Berührung noch ein wenig
länger spüren zu können. Gleichzeitig ärgerte ich mich darüber.
Ich wollte das nicht. Ich wollte einen kühlen Kopf behalten.
Aber etwas in mir fühlte sich zu Mika hingezogen und ich war
machtlos dagegen.
Es klackte und das Schloss sprang auf.
»Danke«, murmelte ich und stopfte es in meinen Rucksack.
Ich wollte nur noch weg hier.
»Jana?«
»Hm?«
Mika griff in seine Jackentasche und zog ein Paar Handschuhe
hervor.
»Kannst sie mir ja irgendwann wiedergeben. Oder du gibst
sie Mel in der Schule mit.«
Ich zögerte nur kurz, dann griff ich nach den Handschuhen
und zog sie an.
»Mel redet nicht mehr mit mir.«
Mika runzelte kurz die Stirn. »Sei ihr bitte nicht böse«, sagte
er dann. »Sie meint es sicher nicht so.«
»Sie meint was nicht so?«, fragte ich herausfordernd.
»Sie hat tatsächlich behauptet, dass sie dich nicht sehen will.
Aber das stimmt nicht. Glaub ich zumindest. Das hat sie nur
wegen unserem Vater gesagt.«
Langsam fragte ich mich, ob es eigentlich irgendetwas gab,
das Mel nicht wegen ihrem Vater tat. Vermutlich bat sie ihn
sogar um Erlaubnis, wenn sie mal aufs Klo musste. Ich hatte
keine Lust mehr auf dieses Getue und wollte nur zurück in
die Schule. Das Gespräch mit Drexler lag mir noch im Magen,
Melanies Probleme konnte ich im Moment nicht zusätzlich gebrauchen.
»Melanie steht wahnsinnig unter Druck.
Er
macht ihr den
Stress. Fast jeden Tag. Du weißt ja, dass er selbst einmal ein erfolgreicher
Leistungssportler war. Irgendwie erwartet er jetzt,
dass Melanie diese Erfolgsserie fortsetzt. Und Melanie tut alles,
um ihm diesen
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