Wie ein Flügelschlag
über Mels Stuhllehne gelegt hatte und noch
ein bisschen dichter als unbedingt nötig an sie herangerutscht
war? Auch die anderen hatten sich schon zu Paaren zusammengefunden.
Okay. Dann eben nicht.
»Jana, was ist mit dir?«
Mist. Bernges hatte gesehen, dass ich noch im Raum stand.
Schnell setzte ich mich wieder hin, aber zu spät.
»Ist jemand ohne Partner? Jana ist noch allein.«
Konnte er nicht einfach die Klappe halten? Dass keiner mit mir
zusammenarbeiten wollte, damit kam ich klar. Dass er es gleich
der gesamten Klasse unter die Nase reiben musste, fand ich weniger
witzig. Es reagierte sowieso niemand. Das Gemurmel verstummte
schlagartig, und alle taten so, als seien sie intensiv mit
ihrer Übersetzung beschäftigt. Was hatte Bernges erwartet?
»Wir könnten doch auch zu dritt arbeiten«, meldete Tom
sich zu Wort.
Klar. Jesus wieder. Immer am Vermitteln, immer darauf bedacht,
niemandem auf die Füße zu treten. Gäbe es Heiligenscheine,
Tom hätte einen.
Ich hätte lieber allein gearbeitet; ich konnte mich sowieso
kaum konzentrieren, weil ich immerzu an Mika denken musste.
Aber Bernges hatte schon zustimmend genickt, also hatte ich
keine andere Wahl. Ich nahm meinen Zettel und schlenderte zu
Jesus-Tom und seinem Kumpel.
Während wir an der Übersetzung saßen, schaute ich immer
wieder zu Mel rüber. Sie hatte heute noch kein einziges Wort mit
mir gesprochen, und ich hatte keine Ahnung, was los war.
Als Mel heute früh ausnahmsweise zum Waldlauf aufgetaucht
war, hatte ich mich gefreut, weil ich gehofft hatte, von ihr mehr
über Mika zu erfahren. Und ich wollte sie fragen, wann sie wieder
zur Theater-AG ging, um beim nächsten Mal vielleicht
mitzukommen. Doch kaum war Mel zu unserer Mannschaft gestoßen,
war sie auch schon von einer Schar gackernder Hühner
umringt worden, allen voran Nora, die mir einen verächtlichen
Blick zuwarf. Mel vermied es die ganze Zeit über krampfhaft,
in meine Richtung zu schauen. Beim Waldlauf setzte sich die
Gruppe um Mel ziemlich schnell von den anderen ab.
Dann halt nicht, dachte ich. Ich hatte keine Lust, mir die
Lunge aus dem Leib zu rennen, und war ein ganzes Stück zurückgeblieben.
Nachdenklich berührte ich meinen Arm an der Stelle, die auch
Mika gestern berührt hatte. Es war ein Fehler gewesen, Mel zu
Hause zu besuchen. Ich hätte es vorher wissen müssen. Blöd war
nur, dass ich Mel echt mochte. Von allen hier war sie die einzige
richtige Konkurrenz. Und gleichzeitig war sie die Einzige, von
der ich dachte, dass sie mich verstand. Dass sie auf meiner Wellenlänge
schwamm. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir waren
doch so etwas wie Freundinnen. Damit schien es jetzt vorbei
zu sein. Und ich hatte keine Ahnung, warum. Was war passiert?
Ihr Vater hatte mir so viele Fragen gestellt. Hatte ich etwas Falsches
gesagt? Etwas über Mel erzählt, das er vielleicht gar nicht
wissen sollte? Oder hatte es etwas mit Mika zu tun? Hatte Mel
gestern gesehen, wie er mich berührt hatte? Ich beschloss, das
Schwimmtraining abzuwarten und Mel danach in der Kabine
abzufangen. Ich musste einfach mit ihr reden. Und zwar allein.
Auch im Training würdigte Mel mich keines Blickes, und bei
den Sprints ging sie auf hundert Prozent, wenn nicht sogar mehr.
Ich hatte Mühe, an ihr dranzubleiben, aber dann kriegte ich sie
doch. Die anderen waren schon aus dem Wasser gestiegen, als
wir beide immer noch schwer atmend und völlig erledigt am Beckenrand
hingen.
»Könnt ihr mir bitte mal erklären, was das eben sein sollte?«,
regte Drexler sich auf. »Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass
ihr im Training nicht auf volle Leistung gehen sollt? Nicht ohne
meine ausdrückliche Anweisung!«
Mel verdrehte die Augen und tauchte einfach unter.
Das hielt Drexler nicht davon ab, weiter herumzubrüllen.
»Wir haben nächste Woche das Sichtungsschwimmen des Kaders.
Euch muss ich doch wohl nicht mehr erklären, wie wichtig
dieser Termin für eure weitere Karriere ist?«
»Aber ich …«
Drexler fiel mir ins Wort. »Zickenterror ist wirklich das
Letzte, was wir hier gebrauchen können, Jana Schwarzer.
Schreib dir das hinter die Ohren. Und bis morgen reflektierst
du bitte schriftlich, warum es wenig sinnvoll ist, im Training an
seine Leistungsgrenzen zu gehen. Zwei Seiten Minimum.«
Ich schnappte nach Luft und wollte etwas erwidern, als Melanie
neben mir auftauchte. Ich wartete darauf, dass Drexler ihr
ebenfalls eine Strafarbeit aufbrummen würde, aber er schwieg.
Melanie zog sich die
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