Wie ein Flügelschlag
Handtuch fester um mich. Ich ahnte, was jetzt
wieder kam. Aber diesmal war ich auf Drexlers Vorwürfe gefasst.
Ich beschloss, sie einfach an mir abprallen zu lassen, um
möglichst schnell unter die heiße Dusche zu kommen.
Beim Näherkommen sah ich Drexler mit einem der Kampfrichter
sprechen. Als er mich bemerkte, wandte er sich zu mir
um. Sein Gesicht war dunkelrot. »Jana Schwarzer, ich nehme
an, du weißt, was los ist?«
Ich schwieg. So einfach wollte ich es ihm nicht machen. Sollte
er ausspucken, was er von mir wollte.
»Disqualifiziert. Wegen falscher Wende disqualifiziert!«
Ich starrte Drexler an. Was redete er da?
»Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Nein. Aber … ich … warum?« Ich konnte nicht glauben,
was er mir da gerade gesagt hatte. Disqualifiziert. Noch nie war
ich in einem Wettkampf disqualifiziert worden. Und schon gar
nicht wegen einer fehlerhaften Wende.
»Das … muss ein Irrtum sein«, stammelte ich. »Ich habe
keinen Fehler gemacht. Meine Wenden waren korrekt.«
Tief durchatmen, Jana, versuchte ich mich zu beruhigen. Bestimmt
lag hier ein Missverständnis vor, das sich aufklären ließ.
Und selbst, wenn nicht – es war nur ein Freundschaftsturnier, es
ging um nichts. Also warum sollte ich mich überhaupt aufregen?
»Du hast die zweite Wende zu früh eingeleitet! Du kennst die
Regel: Nach der Drehung auf den Bauch darf kein Schwimmzug
mehr folgen!«
»Ich habe nach der Wende keinen Schwimmzug …«
Er ließ mich nicht ausreden. »So einen Anfängerfehler hat in
dieser Gruppe wirklich noch nie jemand gemacht! Verdammt
noch mal, ihr seid die Talentgruppe unserer Schule!«
Die Wende zu früh eingeleitet? Ich war mir sicher, dass ich das
nicht gemacht hatte. Ich starrte Drexler an. Und dann auf einmal
begriff ich. Drexler suchte einen Weg, mir seine Macht zu demonstrieren.
Meine Beine fingen an zu zittern, als mir das klar
wurde. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte das nicht,
aber ich konnte nichts dagegen tun.
Schnell drehte ich mich weg. Drexler sollte nicht sehen, was
sein Verhalten in mir auslöste. Ich wusste, ich hatte keine Chance
zu beweisen, dass meine Wende korrekt ausgeführt war. Es war
nur ein Freundschaftsturnier und es gab keine Videoaufzeichnungen
oder dergleichen. Ich war disqualifiziert worden und
ich konnte es nicht ändern. Das Ergebnis dieses Wettkampfs
war überhaupt nicht wichtig. Wichtig war nur, was Drexler mir
hiermit beweisen wollte. Er wollte mich klein sehen. Aber diesen
Gefallen würde ich ihm nicht tun. Ich ignorierte das Brennen
in meinen Augen.
»Okay. Es tut mir leid. Da hatte ich es wohl zu eilig bei den
Wenden.« Ich hasste meinen demütigen Tonfall, aber ich biss
die Zähne zusammen. »Wird nicht wieder vorkommen.« Ich
wollte mich umdrehen und endlich zu den Duschen gehen.
Noch mehr Kniefälle konnte Drexler nun wirklich nicht von mir
erwarten.
»Davon kannst du ausgehen, dass das nicht mehr vorkommen
wird. Heute zumindest ganz sicher nicht!«
Etwas in Drexlers Stimme ließ mich stehen bleiben.
»Für dich ist der Wettkampf gelaufen. Du kannst duschen
und dich anziehen.«
»Aber die Staffel …?«
»Rede ich so undeutlich oder willst du mich nicht verstehen?
Es gibt keine Staffel mehr. Nicht für dich jedenfalls!«
Drexler hatte mich aus der Staffel gestrichen? Ich schnappte
nach Luft, wollte etwas erwidern, schluckte meine Erwiderung
aber im letzten Moment runter. Drexler saß am längeren Hebel.
Exakt das hatte er mir eben eindrucksvoll vorgeführt.
Am anderen Ende der Halle ließ Melanie sich von ihrem Vater
in ihren Bademantel helfen. Mika reichte ihr eine Trinkflasche.
Sein Anblick versetzte mir einen Stich.
»Ich hatte dich gewarnt.« Drexlers Stimme dicht hinter mir
war nur noch ein Flüstern. »Du gefährdest dein Stipendium,
wenn du nicht lernst, dich an gewisse Spielregeln zu halten.«
Es hatte angefangen. Endlich.
So lange hatte er darauf gewartet.
Wie bei einem Billardspiel hatte er jeder Kugel erst sorgfältig ihren
Platz zugewiesen.
Und jetzt?
Ein einziger Stoß hatte genügt, um alles ins Rollen zu bringen.
Ich saß in der Mensa und schaute aus dem Fenster. Noch zehn
Minuten bis zur ersten Stunde. Der Schock über die Käuflichkeit
der Kampfrichter steckte mir noch immer in den Knochen.
Denn dass sie käuflich waren oder sonst einen Deal mit Drexler
abgeschlossen hatten, war für mich klar. Ich war nicht frei von
Fehlern, keine Frage. Aber die Wenden hatte ich korrekt geschwommen.
Das wusste
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