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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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nickte und sah ihm nach, wie er die Straße überquerte. Das
Gespräch verlief ganz und gar nicht so, wie ich es mir aus gemalt
hatte. Ich kam keinen Schritt weiter. Aber trotzdem konnte ich
ihm nichts von den Medikamenten erzählen. Nicht, bevor ich
wusste, welches Spiel Melanie tatsächlich spielte.
    Ich starrte auf die Handschuhe in meinen Händen. Was war
das nur, was Mika ständig in mir auslöste? Ich fühlte mich einerseits
zu ihm hingezogen und gleichzeitig würde ich am liebsten
vor ihm davonlaufen. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Wir
konnten keine Freunde sein. Niemals. Und mehr als das schon
gar nicht. Ich musste an das Lied mit den zwei Königskindern
denken. Das Wasser zwischen uns war viel zu tief, als dass wir es
hätten überqueren können.
    Schlag ihn dir aus dem Kopf, Jana. Er wird dich nur unglücklich
machen.
    Ich ließ die Handschuhe fallen, drehte mich um und rannte
den Weg zurück, den wir gekommen waren. Diesmal schaffte
ich es auf Anhieb, das Schloss aufzuschließen. Ich schwang mich
auf den Sattel und raste los. Das Hinterrad drehte auf dem gefrorenen
Boden durch und fast wäre ich auf den Asphalt geknallt.
Ich rutschte seitlich weg, musste ein Bein auf den Boden stemmen,
um mich abzufangen. Es dauerte eine Weile, bis ich es so
weit stabilisiert hatte, dass ich wieder richtig aufsteigen konnte.
Mika würde jeden Augenblick zurückkommen. Ich trat in die
Pedale und floh.

    Nachdem ich mein Fahrrad in den Keller gebracht hatte, ging
ich zur Bushaltestelle, um den nächsten Bus nach Hause zu nehmen.
Mit dem Finger fuhr ich über den Fahrplan und suchte die
Verbindung raus, als ich eine Bewegung im Bushäuschen wahrnahm.
Ich fuhr herum.
    »Mika?«
    Er trat aus dem Unterstand ins Freie. Seine Hände hatte er in
die Jackentaschen gestopft. Erst jetzt sah ich das Mountainbike,
das an der Wand lehnte.
    »Was … was machst du hier?« Mein Stammeln war lächerlich.
    Mika zog die Hände aus den Jackentaschen und hielt mir zwei
Handschuhe hin.
    »Du hast was verloren.«
    Ich starrte auf die Handschuhe und dann auf ihn.
    »Du bist extra hier rausgeradelt, um mir ein paar alte Handschuhe
zu bringen?«, wiederholte ich seine Worte und schmunzelte,
aber Mika verzog keine Miene. Verlegen schaute ich auf
den Boden vor mir. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »Warum bist du abgehauen?« Sein Blick jagte Stromstöße
durch meinen Körper. Mika machte einen Schritt auf mich zu
und griff nach meiner Hand. Erschrocken zog ich sie weg und
ärgerte mich im gleichen Moment über mich selbst. Er hob kurz
die Augenbrauen, trat dann aber wieder einen Schritt zurück.
    »Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?« Besorgt musterte
er mich.
    Ich schüttelte stumm den Kopf. Ich wünschte, er würde endlich
gehen, mich von diesem Schweigen erlösen. Und gleichzeitig
sehnte ich mich nach nichts mehr, als wieder von ihm berührt
zu werden. Noch nie hatte ein Junge so etwas in mir ausgelöst
und es verwirrte mich zutiefst.
    Mika räusperte sich. »Du hast mich gefragt, ob ich eine
Freundin habe …«
    Jetzt war er es, der verlegen klang. Er hob seine Hände und
spreizte die Finger. »Von wegen an jedem Finger eine. Ich habe
keine Freundin, Jana. Ich wollte nur, dass du das weißt.« Er ließ
seine Hände wieder sinken und stopfte sie zurück in die Taschen
seines Parkas.
    Gegen meinen Willen musste ich lächeln. »Okay. Hätten wir
das also auch geklärt.«
    Mein Bus kam. Ich wusste nicht, ob ich darüber froh sein
sollte oder traurig. Ich deutete mit dem Kopf in seine Richtung.
»Ich muss los.«
    Mika nickte. Ich wollte mich umdrehen, da fühlte ich seine
Hand an meiner Schulter. Kurz, wie aus Versehen, streifte sie
mein Gesicht. »Vergiss die nicht.« Er hielt mir die Handschuhe
hin.
    Ich nahm sie an mich und berührte seine Finger dabei einen
Moment länger, als es nötig gewesen wäre. Unsere Blicke trafen
sich.
    »Bis bald«, sagte Mika.
    Das Letzte, was ich sah, bevor ich mich umdrehte und in den
offenen Bus sprang, waren seine Augen.

    Meine Mutter öffnete mir die Tür, noch bevor ich den Schlüssel
aus meinem Rucksack zerren konnte. Sie sah erschöpft aus. So
als ob sie die ganze Woche nicht geschlafen hätte. Aber mir ging
es ja nicht anders. Viel Schlaf hatte ich in den letzten Tagen auch
nicht gerade abbekommen. Ich drückte meiner Mutter einen
Kuss auf die Wange und schob mich an ihr vorbei in den Flur.
Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit hatten wir etwas gemeinsam.
    »Hallo, Mama, du siehst müde

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