Wie ein Flügelschlag
Halle bringt,
um unsere Daten nachzutragen, bewahrt er sie für gewöhnlich
in seinem Büro auf. Und das befindet sich neben den Materialräumen.
Im gleichen Gang also, durch den ich mich für meine
nächtliche Schwimmaktion gekämpft habe. Da unser Trainer
nicht in der Schule wohnt, hat er einen eigenen Raum für seine
Sachen im Sporttrakt. Und um in diesen Raum zu kommen,
brauche ich den Schlüssel.
Ich schwimme eine Wende und stoße mich vom Beckenrand
ab. Es kann gar nicht anders sein, Drexler muss den Büroschlüssel
während des Trainings in seiner Sporttasche aufbewahren.
Und die steht nun unbeobachtet in der Sammelumkleide der
Jungen. Ich muss versuchen, dort heranzukommen, ohne dass
er es merkt. Und wenn ich den Schlüssel erst einmal habe, gibt
es genau zwei Gelegenheiten, heimlich in sein Büro zu gelangen.
Die eine ist während des Trainings, solange er in der Schwimmhalle
steht. Die andere ist während der Essensausgabe in der
Mensa. Denn die würde Drexler niemals versäumen. Die Möglichkeit,
den Schlüssel nachts zu benutzen, scheidet leider aus,
obwohl mir diese Variante am liebsten wäre. Aber ich muss den
Schlüssel rechtzeitig wieder in seine Sporttasche zurückbringen,
bevor er etwas merkt.
Mein Plan ist nicht der Knaller, aber es ist ein Anfang. Es tut
gut, nicht länger untätig herumzusitzen und all diesen Lügen
zuzuhören, sondern etwas zu unternehmen. Das hat auch Mika
eingesehen.
Da unser Schwimmtraining heute unmittelbar vor der Pause
stattfindet, ist es die perfekte Gelegenheit, mir während des
Trainings den Schlüssel zu schnappen und mich dann in Drexlers
Büro in aller Ruhe umzusehen, solange er beim Essen sitzt.
Anschließend muss ich nur noch versuchen, den Schlüssel wieder
unbemerkt in seine Sporttasche zu bekommen. Soweit der
Plan.
Drexlers Trillerpfeife schrillt durch die Halle. Das Warmschwimmen
ist beendet, jetzt stehen dreihundert Meter
Schmetterling auf dem Programm. Ein aufgeregtes Kribbeln
durchströmt mich. Besser hätte es nicht kommen können. Die
meisten aus der Gruppe beherrschen diese Lage nicht besonders.
Drexler ist ununterbrochen mit Korrigieren und Rummeckern
beschäftigt. Ich hole tief Luft und steige aus dem Wasser.
Hoffe, dass er mich nicht ausgerechnet jetzt für seine Demonstrationszwecke
braucht.
»Matthies, die Knie zusammen, verdammt noch mal!«
Ich erhasche den hasserfüllten Blick von Jonas, bevor Drexler
sich zu mir umdreht.
»Muss nur mal schnell zur Toilette«, murmele ich hastig, da
tobt Drexler auch schon weiter. »Mann, Jonas, reiß dich zusammen.
Denk an die Beine! Soll ich dir Klebeband besorgen oder
was?«
Ich mache, dass ich wegkomme. Auf der Mädchentoilette
schließe ich mich in eine Kabine ein und warte kurz ab, ob mir
jemand gefolgt ist. Dabei versuche ich, meinen Atem zu beruhigen.
Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Aber ich darf jetzt nicht
die Nerven verlieren.
Als alles ruhig bleibt, verlasse ich die Kabine und schlüpfe
nach nebenan auf die Jungentoilette. Dazu muss ich drei Schritte
an der Wand entlang durch die Halle machen. Ich bete, dass gerade
niemand vom Schwimmbecken herübersieht.
Von der Jungentoilette gibt es einen direkten Zugang zu den
Duschen und der Umkleidekabine. Ich will gerade die Tür öffnen,
als ich Schritte höre. Patsch, patsch, patsch. Das typische
Geräusch nackter Füße auf den Fliesen nähert sich. So schnell
ich kann, verschwinde ich in einer der Kabinen und schließe
ab. Rasch setze ich mich auf den Klodeckel und ziehe die Füße
an, um nicht von unten durch den Spalt gesehen zu werden. Ich
halte die Luft an und lausche angespannt. Hoffentlich hat es derjenige
zu eilig, um sich über ein abgeschlossenes Klo zu wundern.
Neben mir Pinkelgeräusche. Dann ein Husten. Schließlich
entfernen sich die Schritte wieder.
Ich atme aus und lehne erleichtert den Kopf gegen die Kabinenwand.
Nach einer Weile traue ich mich, die Tür wieder
zu öffnen. Ich sprinte durch die Duschen und stehe endlich
in der Sammelumkleide der Jungs. Ich brauche kurz, bis sich
meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt haben. Die Deckenbeleuchtung
einzuschalten, ist mir zu riskant. Dann sehe ich
Drexlers Sporttasche auf einer der Bänke in der Ecke stehen.
Jetzt muss es schnell gehen. Keine Ahnung, wie lange mein Fehlen
noch unbemerkt bleiben wird. Die Aktion auf dem Jungenklo
hat mich ohnehin schon viel zu viel Zeit gekostet.
Mit zwei Schritten bin ich bei Drexlers Tasche. Ich schaue
mich noch mal um, dann ziehe ich den
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