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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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nicht wieder lebendig machen.«
    Ich verstand Mika. Und ich versprach ihm, darüber nachzudenken.
    Wir konnten Melanie nicht wieder lebendig machen. Da gab
ich ihm recht.
    Aber war es deswegen vollkommen egal, wie sie gestorben
war? Und was war mit den anderen, die mit diesem Dopingmittel
irgendwie in Verbindung standen? Was, wenn nicht nur
Mel dieses Medikament geschluckt hatte? Wenn Drexler auch
andere Schüler damit versorgte? Würde es dann bald einen weiteren
Todesfall geben?
    Ich setze mich auf und schalte mein Licht an.
    Das ist der Punkt. Solange die Gefahr besteht, dass auch noch
andere Jugendliche auf dieses Scheißzeug setzen, so lange müssen
wir versuchen herauszufinden, was wirklich passiert ist.
    Wieder und wieder spiele ich alle Möglichkeiten durch. Vor
allem Bernges' Rolle ist mir noch absolut unklar. Was hat er zu
verbergen? Warum versteckt er seine wahre Identität?
    Du kannst jederzeit zu mir kommen.
    Ich lasse mich zurück auf mein Kopfkissen sinken. Auf einmal
weiß ich, wie ich es machen werde. Ich werde meinen Lehrer
beim Wort nehmen. Gleich morgen.

    Endlich stehe ich in der Wohnung. Den Schlüssel habe ich wieder
hinter den Blumentopf gelegt. Bernges wird vor dem Mittagessen
nicht hierher zurückkommen, da bin ich mir ziemlich
sicher.
    Ich habe keine Ahnung, wo ich mit dem Suchen anfangen
soll. Deshalb gehe ich zuerst in den Raum, den ich schon von
meinem letzten Besuch kenne. Im Wohnzimmer sieht alles unverändert
aus. Der Schreibtisch, vor dem kein Stuhl steht, ist
vollgepackt mit Schulbüchern und Papieren, dafür ist die kleine
Sitzecke penibel aufgeräumt. Die Bücher im Regal stehen nach
Themen geordnet, nichts deutet auf eine andere Identität oder
sonst ein Geheimnis hin.
    Trotzdem nehme ich mir zuerst den Schreibtisch vor. Ich
muss vorsichtig sein, damit die Unterlagen darauf nicht verrutschen
und mich vielleicht später verraten. Ich blättere mich eine
gute Viertelstunde durch die Papierberge, aber ich finde absolut
nichts außer ein paar lateinischen Texten, Auszügen aus Theaterstücken
und Schulbüchern. Mein Blick fällt auf die Schubladen.
Ich ziehe eine nach der anderen auf, kann aber nichts
Außergewöhnliches finden. Locher, Tacker, Tesafilm, ein paar
Kugelschreiber, Briefumschläge. Das war's.
    Ratlos schaue ich mich um. Es muss doch irgendetwas geben,
das mir etwas über Bernges' Vergangenheit verrät.
    Ich verlasse das Wohnzimmer und werfe einen Blick in die
kleine Küche, die mit ihrer niedrigen Anrichte eher einer Teeküche
gleicht. Sie muss extra für Bernges eingebaut worden
sein, rollstuhlgerecht angepasst, damit er die Arbeitsplatte und
die Schränke überhaupt benutzen kann. Hochschränke gibt es
keine, dafür hängen an den Wänden über der Arbeitsplatte gerahmte
Bilder. Es sind Aufnahmen von Theateraufführungen.
Erinnerungen an Schultheaterstücke. Auch bevor Bernges an
unser Internat kam, muss er eine AG geleitet haben.
    Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und werfe einen
Blick auf die Uhr. Die vierte Stunde dürfte gerade angefangen
haben, mir bleibt noch genug Zeit.
    Draußen vor der Wohnung höre ich Schritte. Ich bleibe stehen
und halte die Luft an, bis mir klar wird, dass es nicht Bernges
sein kann. Sein Rollstuhl hat sich immer völlig lautlos genähert.
Die Schritte gehen vorbei und verhallen irgendwo in der Ferne.
    Ich sehe mich um und überlege, wo ich weitersuchen soll. Ich
habe noch genau zwei Türen zur Auswahl. Bad und Schlafzimmer,
tippe ich und beschließe, mein Glück zuerst im Schlafzimmer
zu versuchen. Ich drücke die Türklinke herunter und trete
vorsichtig ein. Das Zimmer ist überraschend groß und geräumig.
Neben dem Bett gibt es eine Kommode, außerdem noch
ein Bügelbrett, das man im Sitzen benutzen kann, und einen in
die Wand eingebauten Kleiderschrank.
    Ich ziehe die oberste Schublade der Kommode auf. Nasentropfen,
Taschentücher, eine Sonnenbrille. Keine Papiere, keine
Medikamente. Nichts.
    Eine Schublade tiefer finde ich nur Unterwäsche. Vorsichtig
hebe ich sie ein wenig an und schiebe die Schublade dann
schnell wieder zu.
    In der dritten Lade befinden sich T-Shirts. Sonst nichts. Nur
ein ganzer Stapel ordentlich gebügelter und gefalteter T-Shirts.
    Ich schaue mich um. Jetzt bleiben wirklich nur noch der Kleiderschrank
und das Badezimmer. Wenn Bernges tatsächlich
unter falschem Namen an dieser Schule ist, dann hat er offensichtlich
alle Beweise dafür vorher gründlich vernichtet.
    Ohne große Erwartungen öffne ich eine

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