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Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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viele Zigaretten, trug Bücher von Sartre und Camus herum und verpasste nie eines der Kamingespräche dienstagabends im Aufenthaltsraum, bei denen Dr. Wendt und eine Gruppe von Studenten, überwiegend Männer und überwiegend aus der Abschlussklasse, sich über Bücher unterhielten, die sie gerade lasen. Maze ging hin, weil Harris Whitman immer noch gern teilnahm, und manchmal kam Mary Elizabeth mit. In jenem Herbst war Franz Kafka groß in Mode.
    Daniel saß in zwei von Mary Elizabeths Kursen: Französisch III und Existenzialistische Philosophie bei Dr. Wendt. Mary Elizabeth befürchtete, in dem Philosophiekurs völlig überfordert zu sein, doch Wendt persönlich hatte sie aufgefordert, ihn zu belegen, am Ende des Einführungskurses, den sie im Vorjahr bei ihm belegt hatte.
    Dr. Wendt war dünn, drahtig und glatzköpfig und ebenfalls Kettenraucher. Nicht allzu lang, bevor er nach Berea kam, sei das Rauchen noch überall auf dem Campus verboten gewesen, erzählte er den Studenten in seinem Kurs eines Tages und lachte dann laut und lang. »Können Sie sich das vorstellen?«
    Er kam aus dem Norden, aus Minnesota, und er sprach so schnell, dass seine sich langsamer bewegenden und langsamer sprechenden Studenten in Berea manchmal Mühe hatten, ihn zu verstehen. Und es war immer eine Herausforderung, dem Gang seiner rasch wechselnden Gedanken und Ideen in seinen Vorlesungen zu folgen. Eine Herausforderung, die manche Studenten – wie Mary Elizabeth, wie Daniel – spannend fanden.
    Seine Kurse waren wild und zwanglos. Dr. Wendt war es auch, der eines Tages in seinem Unterricht die Begriffe »Rassenmusik« und »Hillbilly-Musik« erklärte. Eigentlich hatte er über Sartre gesprochen, aber irgendetwas hatte ihn auf dieses Thema gebracht.
    »Und wissen Sie, warum Sie glauben, dass sämtliche Musik außer klassischer und inzwischen Rock and Roll in eine dieser beiden Kategorien fällt?«, fragte er an jenem Tag. Das Meer ratloser Gesichter vor ihm wackelte hin und her: keine Ahnung, nein.
    »Weil Ralph Peer, der Besitzer der Plattenfirma Victor, sich diese Kategorien einfach ausgedacht hat, um die Musik zu kategorisieren , die er zu verkaufen versuchte, um mehr Geld zu verdienen, indem er den Leuten sagte, was sie mögen sollen « – an dieser Stelle erreichte seine Stimme einen besonders hohen Ton – »einzig und allein aufgrund ihrer Hautfarbe oder des Ortes, an dem sie zufällig aufgewachsen waren.
    Also . Behalten Sie das im Hinterkopf, wenn Sie nach einem Radiosender suchen, den Sie hören möchten, oder nach einer Platte, die Sie kaufen möchten: Ihr Geschmack scheint vielleicht Ihr eigener zu sein, ist er aber nicht. Er wird Ihnen vorgesetzt, Ihnen ohne eigene Kontrolle oder Wahl untergeschoben, und zwar wohlgemerkt nicht von irgendeinem Musiker, sondern von einem einfachen amerikanischen Geschäftsmann .« Damit wandte er sich wieder seinen Notizen zu und stellte übergangslos eine Frage zu dem Text, den sie zu lesen aufgehabt hatten: Überlegungen zur Judenfrage von Sartre.
    Das Buch hatte Mary Elizabeth sich gleich nach ihrer Ankunft in der Collegebuchhandlung gekauft und es am ersten Tag nervös an die Brust geklemmt mit in den Unterricht genommen. Dort vor dem Klassenzimmer stand schon Dr. Wendt. Er plauderte mit einigen anderen Studenten, doch als er sie entdeckte, lächelte er warm und zog sie zur Seite.
    »Es tut mir so leid, was im vergangenen Frühjahr passiert ist, Mary Elizabeth.« Er tätschelte ihr die Schulter. »Freut mich, Sie zu sehen, und schön, dass Sie an meinem Kurs teilnehmen.« Er war der einzige Mensch in Berea, der sie auf das ansprach, was im Frühling passiert war.
    Eines Samstags im Oktober überredete Maze Mary Elizabeth endlich, mit zu einem der Tanzabende in der Schulturnhalle zu kommen. »Hillbilly-Musik, ich weiß ja«, sagte sie. »Aber es wird eine ganze Gruppe von uns da sein, M. E. Warum probierst du es nicht wenigstens einmal aus?«
    Die »ganze Gruppe« bestand, wie sich herausstellte, aus Maze und Harris und Daniel.
    Sie waren kaum durch die Tür, als Daniel sich zu Mary Elizabeth umdrehte, verkündete, er brauche eine Zigarette, und sie bat, mit ihm hinauszugehen. Er bot ihr ebenfalls eine an, die sie jedoch ablehnte. Sie hatte noch nie in der Öffentlichkeit geraucht und immer nur mit Maze. In der Turnhalle konnten sie einen Fiddler eine komplizierte Phrase spielen hören, gefolgt von einem lauten Johlen der Tanzenden.
    Er habe noch nie viel für Countrymusic

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