Wie ein Hauch von Zauberblüten
Stäbchen kehrten aber auch im Blut der infizierten Kranken wieder, während sie sich in den Abstrichen der vereiterten Augen nicht nachweisen ließen.
Auf Antibiotika aller Art reagierten die Stäbchen nicht. Sie zeigten überhaupt keine Reaktion; wie tot schwammen sie in der Nährflüssigkeit herum, die Oppermann zum Anreiz dazugeträufelt hatte. Auch Mäuse und Kaninchen, die er mit dieser Lösung impfte, taten ihm nicht den Gefallen, erst entzündete, dann eiternde Augen zu bekommen und blind zu werden. Trotzdem sagte sich Oppermann, daß er auf der richtigen Spur sei. In keinem Industriegebiet, wie etwa Tsumeb, oder im Diamantendistrikt der Namib, auch nicht an der Küste oder in den Sandgebieten der Namib selbst, traten diese Infektionen auf, – nur in den reinen Farmgebieten mit ihren großen Herden von Kühen, Ziegen, Schafen und anderen Nutztieren. Ganz schlimm war es dort, wo ausschließlich Viehzucht betrieben wurde, und im Ovamboland, wo Mensch und Tier hautnah zusammenlebten und ein Rind nicht nur Fleisch, Milch und Fett hergibt; sogar sein Mist dient noch als Brennmaterial oder, vermischt mit Pflanzensäften, zur Haarpflege.
Zwei Wochen nach Lubas Verschwinden brachte der Präparator aus Otjivarongo das gegerbte Löwenfell. Es sah schrecklich aus: struppig, mit großen kahlen Flecken, und von einer häßlichen gelberdigen Farbe. Nur der Kopf war furchterregend. Der Präparator hatte sich um diese Wirkung besonders bemüht. Das Maul klaffte auf, ließ die alten, braunen Zähne sehen und den knotigen Gaumen. In den Augenlöchern funkelten grüne Glasaugen. Den Einschuß unter dem linken Auge hatte der Meister nicht ausgeflickt, sondern als Beweis dafür gelassen, daß diese Löwin nicht an Altersschwäche verendet war, sondern nunmehr als echte Trophäe gelten durfte.
»Erst habe ich gedacht, der Prusius will mich auf den Arm nehmen!« sagte der Präparator zu Dr. Oppermann. »Sie ist doch ein räudiges Vieh! Aber dann sagte er, das Biest käme von Ihnen und es sei Ihr erster Löwe. Gut, habe ich mir gedacht, weil's der Doktor ist, richt' ich ihn so gut her, wie es geht.« Er grinste freundlich. »Sie sollten noch einen schießen, Herr Doktor, diesmal einen kapitalen Mähnenlöwen. Dann können Sie den hier wegschmeißen.«
Dr. Oppermann bedankte sich, gab dem Präparator noch 50 Rand extra und legte die Löwin neben sein Bett, auf die Seite, an der Luba neben ihm geschlafen hatte. In den folgenden Nächten saß er oft vor dem Bett, starrte den Löwenkopf an, betrachtete die Pranken mit den herausgefahrenen Krallen, dachte an Lubas Oberschenkelwunde und an die klare Sternennacht, in der er sich eins gefühlt hatte mit der Unendlichkeit, berauscht von einem überwältigenden Glücksgefühl.
Manchmal kam Pater Mooslachner zu Besuch, brachte Bier oder Kognak mit und fragte:
»Sind Sie darüber weg, Doktor?«
»Nein! Das werde ich nie sein.«
»Dann kippen wir heute einen?«
»Von mir aus.«
Das Essen kochte jetzt wieder Urulele, und danach war es auch. Mooslachner brachte von Prusius Büchsen mit Fertiggerichten mit und verkündete dem armen Urulele, daß er, falls er später mit seiner Seele in der Hölle landen würde, als ewige Strafe all das essen müsse, was er gekocht habe.
Zweimal versuchte man, Franziska Maria Nkulele an den Herd zu stellen. Sie hielt sich brav und pflichtbewußt, gab ihr Bestes, aber Mooslachner zuckte zusammen, als er den ersten Bissen zu sich nahm.
»Haben Sie die Kloake ausgeschöpft?« stammelte er. »Du lieber Himmel, das ist ja Kamelscheiße mit Affenpisse! Ja, Doktor, schmecken Sie das denn nicht? Haben Sie einen Gaumen aus Chromstahl?«
»Mir ist alles egal!« sagte Dr. Oppermann. »Ich esse nicht, um zu genießen, sondern nur, um auf den Beinen zu bleiben.«
»Barbar! – Sagen Sie Nkulele, sie soll zwanzig Kinder kriegen, aber nie mehr kochen! Wie hält Urulele das bloß aus? Aber ein Negermagen ist ein Naturwunder.«
In der vierten Woche nach Lubas Weggang hatte sich Dr. Oppermann soweit gefangen, daß er abends ins Bett gehen konnte, ohne zuvor andächtig das Löwenfell betrachtet und an Lubas Körper gedacht zu haben.
Eines Tages rief gänzlich unvermutet der alte Prusius an, freundlich und laut wie immer, sozusagen mit einem Schulterklopfen in der Stimme, ganz so, als sei nichts zwischen ihnen geschehen.
»Darf ich Sie mal wieder besuchen, Doktor?« fragte er.
»Nein!« antwortete Dr. Oppermann.
»Nun seien Sie doch nicht nachtragender als die
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