Wie ein Hauch von Zauberblüten
Fingern auf die Tischplatte. »Wo ist Luba?«
»Irgendwo. Sie schläft.«
»Am hellen Tag?!« Oppermann sprang auf. »Was haben Sie mit ihr gemacht, Olutoni?!«
Mooslachner zog Oppermann am Ärmel zurück.
»Was wird er schon gemacht haben?! Ein Betäubungsmittel im Fruchtsaft … Er wird doch sein Augenlicht nicht auslöschen!«
»Ich wollte Luba den Anblick von Prusius ersparen«, sagte Olutoni ernst. »Sie haben da vorhin etwas von einem Maulesel gesagt, der Prusius gebissen hat. Es war nicht nötig, diese Version zu gebrauchen.«
»Ich wollte Ihnen davon erzählen.«
»Luba hat mir alles berichtet.« Olutoni legte den Kopf in den Nacken und blickte auf das Tarngeflecht aus Dornenbüschen. »In jeder anderen Zeit hätte ich Prusius zu mir holen lassen und ihm gezeigt, wie ich die Ehre meiner Tochter bewerte. Ich hätte ihn von überall her geholt – aus Outjo, aus Windhoek, aus Johannesburg, selbst aus Deutschland. Aber ich brauche ihn noch. Prusius ist ein korrekter und einfallsreicher Lieferant. Hier geht die Sorge um mein Volk über mein eigenes Interesse. Aber es wird einmal der Tag kommen, wo sich die Gewichte verschieben. – Das wollte ich Ihnen nur sagen. Das mußte ich Ihnen sagen, weil Sie meine Tochter lieben. Auch wenn Sie bald nicht mehr leben werden, – Sie sollen wissen, daß Prusius für alles bezahlen wird.«
»Das beruhigt mich ungemein«, sagte Oppermann sarkastisch. »Wie wollen Sie Luba das klar machen?«
»Das weiß ich nicht. Aber das ist mein Problem.« Olutoni blickte Dr. Oppermann offen an. »Ich hatte gestern nacht mit dem Gedanken gespielt, einige Wachen zurückzuziehen und Ihnen eine Gasse aus dem Lager freizuhalten. Ihre Flucht wäre erst am späten Morgen entdeckt worden, und dann wäre es zu riskant gewesen, Ihnen zu folgen. Um den Preis von Lubas Leben hätte ich Ihnen das Versprechen abgenommen, nichts zu verraten. Wären Sie darauf eingegangen? Ehrlich, Doktor!«
»Was heißt: Um den Preis von Lubas Leben?« fragte Oppermann vorsichtig zurück.
»Luba wäre zunächst bei mir geblieben – als Pfand für Ihr Versprechen.«
»Das hätte sie nie zugelassen.«
»Doch! Sie hätte allem zugestimmt, wenn Sie gerettet worden wären. Ihre Liebe zu Ihnen ist jedes Opfer wert.«
»Und dann?«
»Ich hätte Ihnen mein Versprechen mitgegeben, Luba von irgendeinem Flugplatz abfliegen zu lassen, wenn ich von Ihnen die Nachricht bekommen hätte, daß Sie außerhalb Namibias auf sie warten und nie mehr in dieses Land zurückkommen.« Olutoni atmete tief aus. »Dazu war ich bereit. Das Opfer eines Vaters, der seine Tochter und zugleich auch den Kampf gegen die schreckliche Infektionskrankheit verliert. Ich hätte mich getröstet mit der Gewißheit, daß Luba in Sicherheit ist und der Kampf um dieses Land weitergehen kann, ohne daß ich fürchten muß, der Krieg könne auch sie treffen. Ich war bereit, diesen Verrat an meinem Volk zu begehen.«
»Und was hat Ihre Absicht so geändert?«
»Ihr Gespräch mit Prusius.« Olutoni nickte mehrmals. »Wenn Sie nur einen Funken Ehrgefühl besitzen, ist es Ihnen unmöglich, Prusius nicht zu entlarven, sobald Sie in Freiheit sind. Sie müssen das einfach tun – sonst würde ich vor Ihnen ausspucken.« Olutoni beugte sich zu Oppermann vor. »Doktor, ohne Bitterkeit, nur mit Logik: Kann ich mir das leisten? Bei aller Liebe zu Luba: Kann ich Sie ziehen lassen?«
»Nein!« sagte Dr. Oppermann heiser. »Das wäre zuviel für einen einzelnen Menschen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich werde Prusius vernichten, wo immer ich ihn treffen sollte.«
»Idiot!« knurrte Pater Mooslachner. »Sie unterschreiben Ihr Todesurteil.«
»Ob er es nun ausspricht oder nur denkt, Herr Pater – ich habe Dr. Oppermann nie zugetraut, daß er die Informationen, die er heute erhalten hat, vergessen könnte. Nicht einmal um Lubas willen.« Olutoni sah Oppermann mit glänzenden Augen an. »Wir sind uns darin sehr ähnlich, Doktor. Auch wenn ich mich dagegen wehre, ich beginne zu begreifen, weshalb meine Tochter Sie so grenzenlos liebt. Diese Liebe hätte ein anderes Schicksal verdient. Aber wir leben nun einmal in einer Welt, die sich im Umsturz befindet und Opfer verlangt.«
»Merkst du eigentlich nicht, Josef Petrus«, sagte Mooslachner grob, »welchen Bockmist du da von dir gibst? Lauter billige Phrasen! Mach heute nacht fest die Augen zu, schmier dir Wachs in die Ohren – und wenn der nächste Morgen kommt, sind alle Probleme gelöst.«
»Weil Sie verschwunden
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