Wie ein Hauch von Zauberblüten
Krankenzimmern. Für seine Wohnung waren sie Oppermann zu steril. Er liebte – was man seinem Typ kaum zutraute – die verstaubte Gemütlichkeit der Kolonialzeit, ohne sich ideologisch mit ihr zu identifizieren. Er hielt die Herrschaft der Weißen über die Schwarzen für überholt. Die Zeit des Befehlens ist vorbei, so dachte er. Jetzt muß geholfen werden, das ist unsere Aufgabe. Ein Bantu ist ein Mensch, nicht eine Abart vom Affen, wie so mancher Weiße auch heute noch dachte. Mit solchen Maximen hatte er bereits am Stammtisch im Hotel ›Deutsches Haus‹ angeeckt. »Er ist noch neu in Afrika« – so hatte Prusius ihn in Schutz genommen. »Er kommt, wie alle diese Theoretiker, mit UNO-Phantasien zu uns und will uns lehren, wie man Kaffern behandelt! Uns, die wir vier, fünf, sechs Generationen in Südwest leben und das Land zu dem gemacht haben, was es heute ist! Wer hat hier Krankenhäuser gebaut, wer Schulen, Universitäten, Straßen, Eisenbahnen, Staudämme, Kanäle, Brunnen, Bewässerungssysteme? Wer hat den Schwarzen gezeigt, daß man die Erde nicht bloß aufhacken, sondern auch pflügen kann? Der liebe Gott? Aber so etwas vergißt man eben, wenn man hinter der roten Fahne hermarschiert und ein neues Feindbild aufbauen will. Warten wir's ab, auch dieser Dr. Oppermann wird sich die Zähne ausbeißen an seinen lieben schwarzen Brüdern, und dann wird er, wie alle, nachdenklich werden und sich fragen: Lohnt sich überhaupt die ganze Arbeit für diese Kaffern?«
Aber Prusius und alle anderen im ›Deutschen Haus‹ irrten sich. Nach acht Monaten Erfahrung in Busch und Steppe, Wüste und ausgebrannten Bergen hatte sich Dr. Oppermann nicht verändert. Doch, ja: mehr als bisher war er davon überzeugt, daß in der Vergangenheit vieles falsch gemacht, und noch mehr übersehen worden war.
»Die neue Generation ist eben etwas langsam im Denken«, kommentierte Prusius. »Was wir in ein paar Wochen begriffen haben, dafür brauchen die Jungen ein Jahr. Eine wahrhaft erschreckende Entwicklung: Die Menschen werden immer dümmer und träger.«
Luba setzte sich und legte die Hände in den Schoß. Die lange Autofahrt hatte sie nicht erschöpft. Mooslachner hatte die ganze Strecke von Windhoek nach Outjo in Etappen aufgeteilt, hatte seine evangelischen Kollegen in Okahandja, Hüttenhain, Sukses und Otjivarongo besucht, überall ein paar Gläser Bier getrunken, Luba als die neue Assistentin von Dr. Oppermann vorgestellt, und dafür gesorgt, daß Lubas Ruf, das Schönste zu sein, was man in den letzten Jahrzehnten aus dem Lager der Coloured gesehen habe, sich wie ein Buschbrand im Wind verbreitete. Die Strecke von Otjivarongo nach Outjo – es sind immerhin 69 Kilometer – hatte der Pater, von Lubas Besorgnis unbeeindruckt, in fröhlichster Stimmung zurückgelegt.
»Sie werden bei Pater Mooslachner auf der Mission wohnen?« fragte Oppermann.
»Er hat es so bestimmt.« Luba lächelte. »Was kann man tun?«
»Sie könnten sich dagegen wehren. Sie sind ein freier, erwachsener Mensch.«
»Der Pater würde darüber nur lachen.«
»Soll ich mit ihm sprechen?«
»Warum?« Ihre großen schwarzen Augen sahen ihn forschend an. »Möchten Sie, daß ich hier bei Ihnen wohne?«
Pater Mooslachner ersparte Oppermann die Antwort. Er riß die Tür auf, schleppte auf der Schulter einen riesigen Karton herein und wuchtete ihn auf das Sofa. »Nachschub! Doktor, ich verzichte großherzig darauf, daß Sie mir um den Hals fallen und mich abküssen! Bier! Bier aus Deutschland! Bayerisches Bier! Achtundvierzig Dosen! Was sagen Sie nun? Nichts! Klar, Sie sind sprachlos! Den Schatz habe ich in Okahandja entdeckt. Im Supermarkt von Emil Reichel. Ich habe die Kartons gesegnet! Bayerisches Bier!« Er riß den Pappdeckel hoch, nahm vier Dosen heraus und spielte mit ihnen wie ein Jongleur. Auch dieses Kunststück gehörte zu seinem Repertoire, mit dem er die noch nicht getauften Eingeborenen verblüffte: Bis zu sechs Gegenstände konnte er so herumwirbeln und dabei noch ein gefülltes großes Glas auf der Stirn balancieren. Eine varietéreife Nummer. »Den Kühlschrank auf, Sie Eiterrührer!« schrie Mooslachner. »Ins Gefrierfach damit! In einer Viertelstunde gibt's a bayerische Maaß!« Er fing die vier Büchsen auf und klemmte sie unter die Arme. »Haben Sie eigentlich was Eßbares im Haus?«
»Keine Ahnung. Darum kümmert sich Marcus.«
»Wo ist die Küche?« Luba erhob sich sofort. Dr. Oppermann hob beide Hände.
»Sie wollen doch wohl
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