Wie ein Hauch von Zauberblüten
Eisenträger von den Waggons zu den Lastwagen. Er war ein Koloß – aber er hatte Ohrenschmerzen, es bohrte und stach bis unter die Haare. Das machte ihn klein und friedlich.
Der Riese starrte Prusius wie ein Wasserbüffel an, dem die Wasserstelle streitig gemacht wird. Nkulele mußte ihn schnell informiert haben.
Prusius lächelte ironisch. »Sie rufen Flußpferde zur Hilfe? Das entspricht Ihren alten Bräuchen. Sie sollten aber wenigstens soviel Intelligenz besitzen, um zu begreifen, daß wir auf Angriffe von Schwarzen seit hundert Jahren sehr gründlich zu antworten pflegen!«
Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Der Muskelkoloß glotzte ratlos gegen die Wand.
»Ich möchte ihn töten!« Nkuleles Arm fuhr durch die Luft, als schwinge sie ein Schwert. »Schon morgen. Nein, heute nacht …«
»Wir sind ein altes Volk«, sagte Luba sinnend. Sie blickte aus dem Fenster, sie hörte nur Prusius wegfahren, sie sah ihn nicht. »Wir haben Zeit …«
Die Sonne erschien am Horizont wie ein riesiger, roter Ball, den ein Gott langsam aus der Tiefe drückt. Die Steppe wurde übergossen mit dem Blut der sterbenden Nacht. Der weite Himmel zerbrach in blaurote Stücke.
Da nahm Molongo seinen Speer und sein Stück weißen Tuchs, trat aus seiner Hütte und ging stolz, mit erhobenem Haupt, auf das Zelt des weißen Doktors zu.
Er war bereit, seine Frau und sein Kind zu holen, oder zu sterben.
Dr. Oppermann sah ihn kommen, er hatte darauf gewartet, die ganze Nacht. Nun war es soweit. Molongo kam ohne Zögern auf ihn zu und hielt das weiße Tuch hoch. Im Zelteingang, hinter Oppermann, stand Urulele, die Maschinenpistole im Anschlag.
Molongo kümmerte das nicht. Er dachte an seine Frau, an sein krankes Kind und an die Worte, die der Medizinmann gesagt hatte: »Es ist der Blick des Weißen, der die Augen unserer Söhne und Töchter zerstört.« Nun waren sie beide sogar im Zelt des Weißen, sie galten als verflucht, wenn die Weisheit des Medizinmannes stimmte. Wenn … Diese Frage hatte Molongo von dem Augenblick an beschäftigt, in dem er das Verschwinden von Frau und Kind gemerkt hatte.
An der vorderen Stützstange des Vorzeltes blieb er stehen, sah Dr. Oppermann mit einem freien Blick an, in dem kein Haß, keine Wut, keine Trauer lagen, und sagte mit tiefer, melodischer Stimme in englischer Sprache:
»Ich bin gekommen, mein Eigentum abzuholen.«
Die junge Frau hockte noch immer neben der Küchenkiste, so, wie sie sich in der Nacht hingesetzt hatte. Es war, als habe sie sich in den vergangenen Stunden nicht bewegt. Doch hatte sie ihre Brüste wieder bedeckt und das Kind wie in einem Sack festgebunden. Der Kleine schien wach zu sein, die dünnen Ärmchen bewegten sich. Seine Augen waren verbunden, es war noch Nacht um ihn. Konnte er bis jetzt noch Licht und Dunkelheit unterscheiden, so würde es doch nicht mehr lange dauern, bis die Nacht sein ständiger Begleiter wurde.
Jetzt regte sich die junge Frau. Sie sagte etwas in ihrer Sprache, ihre Stimme war hell und fordernd. Beide Arme legte sie um das Kind, als wollte sie es in sich hineinpressen.
Molongo beachtete sie nicht. Er stützte sich auf seinen Speer, sah Dr. Oppermann abwartend an und warf auch keinen Blick auf Urulele, der mit seiner Maschinenpistole auf Molongos Brust zielte. Was ist schon der Tod? Molongo hatte immer ehrbar gelebt, er hatte seinem Stamm und seiner Familie nie Kummer gemacht, er hatte gearbeitet und war immer ein guter Sohn gewesen. Er hatte nichts zu fürchten in jener anderen Welt, in die er eingehen würde, wenn man ihn tötete. Ob es die Welt der Missionare war, die sie Himmel nannten, oder die Welt der Geister, wie es die Ahnen glaubten – er hatte keinen Grund, Angst vor dem Sterben zu haben.
»Du weißt, dein Kind ist sehr krank«, sagte Dr. Oppermann auf englisch.
»Ich weiß es.«
»Deine Frau ist aus Angst um euer Kind zu mir gekommen. Ich habe das Kind untersucht. Es ist zu spät!«
Molongo zeigte kein Mienenspiel. Groß, schlank, auf den Speer gestützt, stand er vor dem Zelt, hinter ihm der flammende Morgenhimmel und die auftauchende rote Sonnenscheibe. Links von ihm, jenseits der Hütten, stieg es wie wallende Nebel aus dem Busch. In einer Staubwolke, von vielen hundert Hufen aufgewirbelt, trabte eine Wasserbüffelherde zum Wasserloch. Dort mußte sich auch der einsame alte Löwe verborgen halten. Er hatte keine Aussicht, sich aus der Herde sein Fressen zu schlagen; die Büffel waren zu stark für ihn. Er
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