Wie ein Hauch von Zauberblüten
regelmäßig und hatte einmal geschrieben: ›Wir brauchen für den Anstrich des Wartezimmers dringend neue Kacke …‹ Es sollte natürlich Lacke heißen.
Prusius erschien bei Luba in dem Augenblick, als sie einer Frau einige tiefe, blutige Striemen auf dem Rücken mit einer Heilsalbe einrieb. Natürlich kam er durch den Privateingang und vergaß wie immer das Klopfen.
Luba fuhr herum wie eine getretene Giftschlange. Ihre Augen sprühten unverhohlen Haß, als sie Prusius sah. Nkulele schlug die Fäuste zusammen, aber sie beachtete Prusius gar nicht.
»Ich weiß, ich weiß!« sagte Prusius und hob abwehrend beide Hände. »Nicht durch die Privattür! Aber wo soll ich 'reinkommen? Durch die Tür der Kaffern?! Das kann man doch wohl nicht von mir verlangen …« Er grinste breit, war sich bewußt, Luba damit einen gewaltigen Schlag versetzt zu haben, und das tat ihm wohl. Neben ihm spuckte Nkulele sehr undamenhaft aus. Prusius starrte sie entgeistert an und überlegte, ob er dem schwarzen Weibsbild mit der Riesenbrille eine Ohrfeige geben sollte.
»Sie brauchen gar nicht zu kommen, wenn Dr. Oppermann nicht da ist!« sagte Luba scharf. »Was wollen Sie überhaupt hier?«
»Ja, was will ich? Mich interessiert – rein menschlich –, wie es Ihnen geht.«
»Ausgezeichnet. Wenn ich Sie nicht sehe!«
»Ich kann Ihretwegen nicht auswandern, meine Spröde. Aber ich kann Ihnen unter Ihrem schönen Hintern ein Feuerchen machen, daß Sie zum nächsten Zug nach Windhoek rennen.«
»Wohl kaum!« Sie wandte sich wieder der Damarafrau zu, versorgte die letzten Striemen auf dem Rücken und sagte ihr, sie solle das Kleid wieder überstreifen. Prusius zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Frau.
»Das sieht nach Prügeln aus!« stellte er fröhlich fest. »Ihr lieber Mann hat sie durchgehauen.«
»Mit einer Peitsche aus Elefantenleder …«
»Schön! Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.«
»Sie hat sich nur geweigert, Mais zu reiben, nachdem sie zehn Stunden auf dem Feld gehackt hat. Sie konnte die Arme nicht mehr heben. Der Mann kam zurück von einem Dorfpalaver, ausgeruht und hungrig …«
»So ist das, schöne Olutoni.« Prusius schlug die Beine übereinander. Er trug einen eleganten hellbeigen Leinenanzug und ein weißes, offenes Hemd. Die Füße steckten in hellbraunen Stiefeletten. »Man soll einen Mann nie ausgeruht und hungrig lassen. Das wäre das Thema einer guten Unterhaltung zwischen uns. Es gibt mancherlei Formen von Hunger. Als Sie in Outjo auftauchten, kam uns erst zu Bewußtsein, in welcher Hungersnot wir hier leben …«
»Ich will, daß Sie gehen!« sagte Luba hart. »Sofort gehen! Oder soll ich um Hilfe rufen?«
»Wen?«
»Draußen sitzen mindestens fünfzehn Männer.«
»Sie wollen mich durch Kaffern hinauswerfen lassen? Das kommt Ihnen in den Sinn? So denken Sie tatsächlich?! Ein Kaffer faßt Prusius an?!« Er erhob sich. Nkulele sprang auf, um sich ihm entgegenzustellen. Er stieß sie auf ihren Stuhl zurück. »Sagen Sie das noch einmal, Sie Hurenkind!«
Lubas Gesicht versteinerte.
Er spricht von meiner Mutter, durchrann es sie. Er spricht von dir, Mama. Eine Hure nennt er dich! Dich, die beste und reinste Frau, die je gelebt hat. Und doch eine Hure – weil mein Vater ein Ovambo ist und du ihn geliebt hast? Mama – soll ich ihn umbringen? Jetzt? Sofort? Soll ich ein Messer vom Instrumententisch nehmen und ihm ins Herz stoßen? Mama, er hat dich beleidigt …
»Ich rufe um Hilfe und lasse Sie hinauswerfen!« sagte sie mit gefährlich ruhiger Stimme.
»Sieh mal einer an, dieses stolze, schwarze Hurenbalg!« sagte Prusius – und es klang fast gemütlich. »Du kriegst es fertig! Ich traue dir das zu. Ja, das tue ich. Eine so hohe Meinung habe ich von dir. Wenn du könntest, würdest du mir den Bauch aufschlitzen. Aber du kannst es nicht. Die Zeiten sind vorbei, wo eure Bestien die gefangenen Weißen bei lebendigem Leib enthäuteten! Vorbei, mein bunt geschecktes Mädchen. Ahnst du überhaupt in deinem schönen Köpfchen, was es heißt, einen Prusius zum Feind zu haben?«
»Der nächste!« sagte Luba zu Nkulele, als sei Prusius gar nicht mehr im Zimmer. »Hol den richtigen!«
Nkulele nickte, verschwand im Wartezimmer und kam mit dem neuen Patienten zurück. Es war ein riesenhafter Ovambo, ein Muskelpaket. Er trug einen blauen Overall, der die mächtige schwarze Brust kaum bedecken konnte. Als Entlader auf den Gütergleisen des Bahnhofs Outjo trug er Kisten und Säcke, Steine und
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