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Wie ein Haus aus Karten

Wie ein Haus aus Karten

Titel: Wie ein Haus aus Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Feireiss
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Polizei:
    Ich besitze die Kopie einer Liste der beim Autounfall von der Polizei sichergestellten Gegenstände. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Unfall fällt sie mir beim Durchstöbern alter Unterlagen in die Hände. Sie ist mit Schreibmaschine geschrieben, und obwohl es sich offensichtlich um einen Durchschlag handelt, ist mit Rotstift vermerkt: »einmaliger Beleg«. Die auf der Liste genannten Gegenstände sind von derselben Person überprüft und dann abgehakt worden, denn auch dies geschah mit Rotstift. Die Liste reicht vom Schmuck meiner Mutter bis zu Lebensmitteln und Fettmarken. Aufgeführt sind unter anderem: »eine Einkaufstasche, eine Damenhandtasche, ein Damenpelzmantel, ein Regenmantel, Bargeld im Wert von 509,22 RM, eine Reisetasche mit Bekleidungssachen, drei Brillantringe, eine Halskette mit Anhänger, zwei Armbanduhren, ein Reisewecker und eine Aktentasche mit Geschäftspapieren«.
    In den Jahrzehnten nach dem Tod meiner Eltern und meines Bruders ist immer wieder von dieser Aktentasche und einem Notizbuch meines Vaters die Rede, die beide, so heißt es, nie mehr aufgetaucht seien, auch nicht am Unfallort. Der Bericht der Polizei vom Todesdatum, dem 15. Januar 1948, beweist das Gegenteil. Das Dokument ist von den diensthabenden Beamten, Herrn Schmuttermair und Herrn Zuckriegel, unterschieben.
    Maja Stautners Bericht:
    Meine Tante Maja Stautner, die ebenso zarte wie zähe Schwester meines Vaters, bleibt ihr Leben lang ein kleines Mädchen, das man beschützen möchte. Ich besuche Tante Maja in München, um etwas über meine Eltern zu erfahren. Da ist sie über achtzig Jahre alt. Sie holt ein altes Fotoalbum aus dem Wäscheschrank und reicht mir einen kleinen Zeitungsausschnitt, den sie dort über Jahrzehnte aufbewahrt hat. Darauf steht unter der Überschrift: »Bei Kilometerstein 75,5« folgende Meldung: »Auf der Autobahn ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem drei Personen, ein gewisser Dr. Lang aus Hofheim in Unterfranken, dessen Ehefrau und der 17-jährige Sohn, ums Leben kamen. Nach den polizeilichen Erhebungen dürfte der bei der Autobahnunterführung Zusmarshausen parkende Wagen von Dr. Lang von einem aus Richtung Ulm kommenden Kraftfahrzeug – den Spuren nach ein 2,5-t- LKW mit amerikanischer Bereifung – gerammt worden sein, wodurch die Karosserie des PKW zertrümmert und die drei Insassen getötet wurden. Der den Unfall verursachende Fahrer flüchtete mit dem LKW . Die Fahndung ist eingeleitet.«
    Helmut Knabs Bericht:
    Als ich meinen Cousin Helmut Knab, der inzwischen mit seiner zweiten Frau in einer bayrischen Kleinstadt lebt, besuche, um auch mit ihm über meine Eltern zu sprechen, ist er ein alter Mann. Damals, als meine Eltern und mein Bruder sterben, ist er siebenundzwanzig Jahre alt und hat gerade eine Stelle als Assistenzarzt im Ludwigspital in Würzburg angetreten. Ich bitte Helmut, mir vom Tod meiner Eltern und meines Bruders zu erzählen. Ich spüre, wie schwer es ihm noch immer fällt. Am Abend des 14. Januar 1948 sind meine Eltern zusammen mit ihrem Sohn Mockel im Auto auf dem Weg von Stuttgart, wo mein Vater Geschäftsfreunde getroffen hat, nach München unterwegs. Dort stehen nicht nur Geschäftstermine, sondern auch ein Faschingsball auf dem Programm. Da die Schulferien bereits zu Ende sind, Mady ihren halbwüchsigen Sohn aber mit auf das Fest nehmen möchte, schickt sie eine fadenscheinige Krankmeldung an den Leiter des Internats. Als der Brief dort eintrifft, ist mein Bruder bereits tot.
    Mein Vater sitzt am Steuer seines Opels. Er gehört zu den wenigen Deutschen, die eine Nachtfahrerlaubnis der Alliierten besitzen. Der Unfall ereignet sich bei Zusmarshausen. Die polizeilichen Untersuchungen, so berichtet mein Cousin, hätten ergeben, dass mein Vater vermutlich wegen eines einsetzenden Schneesturms unter einer Brücke angehalten habe. Zudem hat er den Rückwärtsgang eingelegt, was das Auto nahezu unbeweglich macht. Die Scheinwerfer sind an. Der Opel Kadett steht mitten auf der Fahrbahn, wohl weil mein Vater annimmt, er sei in dieser stürmischen Nacht allein unterwegs, als ein Laster den Wagen von hinten anfährt und dabei fast vollständig überrollt. Die Polizei kann anhand des Unfallautos und der Spuren auf der Fahrbahn ermitteln, dass der Lenker des Lastwagens mehrfach versucht haben muss, sich durch Rückwärtsfahren von dem zertrümmerten Auto zu befreien.
    Die Spurensicherung ergibt darüber hinaus, dass der Lastwagenfahrer in einem

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