Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
Schreibtisch lag. »Ich rede von dem Fall Gates«, antwortete Bill. »Du weißt schon – der kleine Junge, der durch den Fußboden hindurch erschossen wurde. Anfang des Monats.«
»Klar, ich erinnere mich. Er hatte rote Tomatensoße von seiner Pizza im Gesicht.«
»Wie bitte?«
Kevin blinzelte. »Der Junge. Als wir ihn gefunden haben. Es war fürchterlich. Todd war ganz schön fertig.«
Bill runzelte die Stirn. »Es wurde ein Krankenwagen gerufen.«
Verzweifelt versuchte Kevin, regelmäßig zu atmen und sich zu sammeln. »Ja, für seine Mutter. Sie war sehr aufgebracht, was man ja verstehen kann, und sie ist hinter dem Griechen her gerannt, der den Schuss abgegeben hatte. Es gab ein Handgemenge, und sie ist die Treppe hinuntergefallen. Wir haben sofort den Krankenwagen alarmiert … und soviel ich weiß, wurde die Mutter ins Krankenhaus gebracht.«
Noch immer fixierte ihn Bill mit seinem Blick, legte dann aber die Akte beiseite. »Du hast vorher mit ihr gesprochen, nicht wahr?«
»Ich hab’s versucht … sie war ziemlich hysterisch. Ich wollte sie beruhigen, aber dann ist sie völlig durchgedreht. Was gibt es da noch zu sagen? Es steht alles in meinem Bericht.«
»Ja, ich habe gelesen, was du geschrieben hast. Aber die Frau behauptet, du hättest zu ihr gesagt, sie soll den Täter die Treppe hinunterstoßen.«
»Wie bitte?«
Bill griff wieder nach der Akte und las vor: »Sie sagt, du hast von Gott gesprochen und sie aufgefordert, Zitat: ›Der Mann ist ein Sünder und hat die Strafe verdient, denn in der Bibel steht: Du sollst nicht töten.‹ Sie sagt, du hast ihr außerdem zugeraunt, der Mann würde vermutlich Bewährung kriegen, obwohl er ihr Kind getötet habe, deshalb müsse sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Weil Sünder bestraft werden müssen. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«
Kevin spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. »Das ist doch lächerlich«, schimpfte er los. »Dir ist hoffentlich klar, dass die Frau lügt, oder?«
Er erwartete, Bill würde ihm sofort zustimmen. Und ihm versichern, dass die Ermittlungen reine Formsache seien. Aber sein Chef reagierte anders und beugte sich näher zu ihm.
»Was hast du zu der Frau gesagt? Wozu hast du sie aufgefordert?«
»Ich habe sie zu gar nichts aufgefordert! Ich habe sie gefragt, was passiert ist, und sie hat mir alles erzählt, ich habe das Loch in der Decke gesehen, und dann bin ich nach oben gegangen und habe den Nachbarn verhaftet, nach dem er gestanden hat, dass er der Schütze ist. Ich habe ihm Handschellen angelegt und ihn die Treppe hinuntergeführt. Und auf einmal hat sich die Frau auf ihn gestürzt.«
Nach einer kurzen Pause fragte Bill: »Du hast mit ihr nie über Gott und die Sünde geredet?«
»Nein.«
Sein Chef hielt das Blatt hoch, von dem er abgelesen hatte. »Du hast nie gesagt: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr?«
»Nein.«
»Nichts davon kommt dir bekannt vor?«
Kevin merkte, wie die Wut in ihm hochstieg, und versuchte, sie zu unterdrücken. »Nein, gar nichts. Es ist gelogen. Du weißt doch, wie die Leute sind. Die Frau will wahrscheinlich die Behörden verklagen, damit sie richtig schön absahnen kann.«
Bills Kiefermuskeln zuckten. »Hattest du getrunken, bevor du mit der Frau gesprochen hast?«, fragte er schließlich.
»Wie kommst du denn auf die Idee? Nein, natürlich nicht. Das würde ich nie tun. Du kennst doch mein Führungszeugnis. Ich bin ein guter Cop.« Kevin breitete die Arme aus, fast blind von den pochenden Kopfschmerzen. »Mensch, Bill – wir arbeiten doch seit Jahren zusammen.«
»Genau deshalb rede ich ja mit dir. Sonst würde ich dich sofort feuern. Du warst in den letzten Monaten einfach nicht du selbst. Und ich habe alle möglichen Gerüchte gehört.«
»Was für Gerüchte?«
»Dass du betrunken zur Arbeit kommst.«
»Aber das stimmt nicht!«
»Willst du damit sagen, wenn ich dich ins Röhrchen blasen ließe, wäre das Ergebnis null Promille?«
Kevin spürte, wie sein Herz in der Brust hämmerte. Er wusste, wie man lügt, und er konnte es sehr gut. »Gestern Abend war ich noch ziemlich lange mit einem Kumpel unterwegs, und wir haben getrunken. Da kann es natürlich sein, dass ich noch einen gewissen Alkoholpegel im Blut habe, aber ich bin nicht betrunken, und ich habe auch nichts getrunken, bevor ich heute Morgen zur Arbeit gekommen bin. An dem Tag mit dem Jungen habe ich ebenfalls nichts getrunken. Und sonst auch nie.«
Bill starrte ihn unverwandt
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