Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
verbracht hatten – die Kinder waren noch zu klein gewesen, als Carly starb –, konnte er sich gut vorstellen, dass sie mit dabei wäre.
Vielleicht vermochte er deswegen nicht zu schlafen. Katie war schon lange nach Hause gefahren. Die Kinder schliefen. Schließlich stand er auf und öffnete den Safe, den er vor ein paar Jahren in den Schrank eingebaut hatte. In diesem Safe bewahrte er wichtige Dokumente auf, über seine Finanzen, Versicherungspolicen – und auch die Schätze aus seiner Ehe. Es waren Dinge, die Carly gesammelt hatte: Fotos von der Hochzeitsreise, ein vierblättriges Kleeblatt, das sie gefunden hatte, als sie einmal in Vancouver Urlaub machten, den Strauß aus Pfingstrosen und Lilien, den sie am Hochzeitstag getragen hatte, Ultraschallbilder von Josh und Kristen, als sie noch in ihrem Bauch waren, die Sachen, die die Babys getragen hatten, als sie vom Krankenhaus nach Hause kamen. Negative und Foto- CD s, auf denen ihre gemeinsamen Jahre festgehalten waren. Diese Gegenstände waren alle sehr bedeutungsvoll und bargen viele Erinnerungen, und seit Carlys Tod hatte Alex nichts mehr in den Safe gelegt, außer den beiden Briefen, die Carly noch geschrieben hatte. Der eine war an ihn adressiert, auf dem anderen stand kein Name, und er war noch immer ungeöffnet. Alex durfte ihn nicht öffnen – das hatte er Carly versprochen.
Er holte den ersten Brief heraus, den er schon über hundertmal gelesen hatte, den anderen ließ er im Safe. Von diesen Briefen hatte er nichts gewusst, bis Carly sie ihm eine knappe Woche vor ihrem Tod gegeben hatte. Damals konnte sie schon nicht mehr aufstehen und auch nicht mehr essen. Wenn er sie ins Bad trug, erschien sie ihm federleicht, als wäre sie von innen ausgehöhlt. Die meiste Zeit schlief sie, und während der wenigen Momente, die sie wach war, saß er schweigend an ihrem Bett. Oft döste sie schon nach ein paar Minuten wieder ein. Alex hatte Angst zu gehen, falls sie ihn brauchte, und er hatte Angst zu bleiben, weil sie vielleicht nicht genug Ruhe hatte, wenn er neben ihr saß. Als sie ihm die Briefumschläge überreichte, sah er, dass sie unter der Bettdecke versteckt gewesen waren. Erst später fand er heraus, dass Carly sie schon zwei Monate zuvor geschrieben und dass ihre Mutter sie aufbewahrt hatte.
Jetzt öffnete Alex den Umschlag und holte den Brief heraus. Man sah ihm an, dass er schon häufig gelesen worden war. Wenn Alex an dem Papier roch, konnte er den Duft der Lotion ahnen, die Carly immer benutzt hatte. Er wusste noch genau, wie überrascht er war, als sie ihm die Briefe gab. Mit ihren Augen flehte sie um Verständnis.
»Soll ich diesen hier zuerst lesen?«, fragte er und deutete auf den Umschlag, auf dem sein Name stand. Sie nickte und lehnte sich in ihre Kissen zurück.
Mein liebster Alex,
es gibt Träume, die uns besuchen und durch die wir uns, wenn wir aufwachen, zutiefst beglückt fühlen. Träume, die das Leben lebenswert machen. Du, mein geliebter Mann, bist dieser Traum, und es macht mich so traurig, dass ich in Worte fassen muss, was ich für Dich empfinde.
Ich schreibe diesen Brief, solange ich es noch kann, aber ich bin mir nicht sicher, ob es mir gelingt, wirklich genau das auszudrücken, was ich sagen will. Ich bin keine Schriftstellerin, und Worte erscheinen mir ungenügend. Mit welchen Worten soll ich beschreiben, wie sehr ich Dich liebe? Ist es überhaupt möglich, eine Liebe wie unsere zu fassen? Ich weiß es nicht, aber während ich hier sitze, ist mir klar, dass ich es versuchen muss.
Du erzählst immer gern, dass ich nicht leicht rumzukriegen war, aber wenn ich an den Abend denke, an dem wir uns kennenlernten, muss ich sagen, dass ich schon damals gespürt habe, wir sind füreinander bestimmt. Ich erinnere mich ganz deutlich an den Abend, ich weiß noch, wie sich Deine Hand in meiner anfühlte. Und ich sehe den bewölkten Nachmittag am Strand vor mir, jede Einzelheit – als Du vor mir niedergekniet bist und mich gefragt hast, ob ich Deine Frau werden will. Bis ich Dir begegnet bin, hatte ich keine Ahnung, was mir fehlt. Ich habe nicht geahnt, dass eine Berührung so bedeutungsvoll sein kann, dass ein Wort so viel ausdrücken kann. Ich habe nicht gewusst, dass mir bei einem Kuss die Luft wegbleiben kann. Du bist genau der Mann, den ich mir immer als Ehepartner gewünscht habe. Du bist gütig und stark, einfühlsam und klug. Du gibst mir Mut, und Du bist ein besserer Vater, als Du selbst weißt. Du kannst wunderbar
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