Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
Koffein machte ihn nervös, also trank er wieder einen kräftigen Schluck Wodka, um sich zu beruhigen. Er fand beim besten Willen keinen guten Platz für seinen Wagen. Was war das nur für eine bescheuerte Stadt! Kevin drehte wieder um. Allmählich wurde er wütend. Es konnte doch nicht so schwierig sein, den Wagen loszuwerden! Er hätte sich einen Leihwagen nehmen sollen, denn jetzt fand er keine Möglichkeit, sich Erin zu nähern, ohne dass sie etwas merkte.
Der Laden war seine einzige Chance. Er bog erneut auf den Parkplatz ein und hielt seitlich von dem Gebäude. Von hier war es mindestens eine Meile bis zu Erins Haus, aber Kevin fand einfach keine andere Lösung. Bevor er den Motor abstellte, grübelte er noch eine Weile lang, dann öffnete er die Tür. Drückende Hitze schlug ihm entgegen. Er kippte den Inhalt seiner Tasche auf den Rücksitz und stopfte statt der Klamotten die Pistole, den Strick, die Handschellen und das Klebeband hinein. Und eine volle Flasche Wodka. Dann hängte er sich die Tasche über die Schulter und blickte sich um. Kein Mensch beobachtete ihn. Sicher konnte er den Wagen ein, zwei Stunden hier stehen lassen, bevor jemand misstrauisch wurde.
Er ging zurück zur Straße. Unterwegs spürte er, wie die Kopfschmerzen wieder einsetzten. Diese Hitze war grotesk! Als wäre die Luft lebendig. Kevin ging die Straße entlang und starrte auf die Fahrer in den entgegenkommenden Autos. Keine Erin. Auch keine mit braunen Haaren.
An der Schotterstraße bog er ab. Sie war staubig und voller Schlaglöcher und schien ins Nichts zu führen. Doch dann entdeckte er nach gut fünfhundert Metern zwei kleine Häuschen. Sein Herzschlag beschleunigte sich erneut. In einem von beiden musste Erin wohnen. Er ging dicht bei den Bäumen, um möglichst unsichtbar zu bleiben. Schatten gab es kaum, weil die Sonne hoch stand. Von der erbarmungslosen Hitze war sein Hemd durchnässt, der Schweiß lief ihm übers Gesicht, seine Haare klebten an der Kopfhaut. Sein Schädel pulsierte, und er blieb stehen, um einen Schluck aus der Flasche zu nehmen.
Keines der beiden Häuschen schien bewohnt, ja, sie wirkten noch nicht mal bewohnbar! An das Haus in Dorchester mit den Fensterläden und der roten Tür kamen sie jedenfalls nicht heran. Bei dem einen blätterte die Farbe ab, und in den Ecken der Veranda moderten die Planken vor sich hin. Nichts rührte sich.
In welchem der Häuschen lebte Erin? Beide waren in schlechtem Zustand, aber das weiter entfernte schien ein wenig besser gepflegt, und Kevin näherte sich ihm vorsichtig.
Er hatte wegen der Hitze eine halbe Stunde gebraucht, vom Laden bis hierher. Wenn er Erin überraschte, würde sie garantiert versuchen, fortzulaufen. Oder war sie bereit, mit ihm zu kommen? Nein, sie würde sich gegen ihn wehren, aber er würde sie fesseln und ihr den Mund zukleben und dann den Wagen holen und sie so lange in den Kofferraum sperren, bis sie ein ganzes Stück von hier entfernt waren.
Er drückte sich seitlich an die Hauswand und duckte sich immer unter den Fenstern weg. Dabei horchte er aufmerksam, ob sich irgendwo etwas bewegte – ob eine Tür geöffnet wurde, ob Wasser lief oder Geschirr klapperte. Aber es war nichts zu hören.
Sein Kopf schmerzte, und er hatte schrecklichen Durst. Diese Hitze! Kevin atmete zu schnell, aber er war seinem Ziel jetzt so nahe, und er dachte wieder daran, dass sie ihn einfach verlassen hatte und dass es ihr egal war, wie oft er deswegen weinte. Hinter seinem Rücken lachte sie ihn aus! Sie und der neue Mann. Kevin war klar, dass es einen Mann geben musste. Allein konnte sie es doch gar nicht schaffen.
Er schaute hinters Haus. Nichts. Vorsichtig schlich er wieder nach vorn. Da, ein kleines Fenster. Er ging das Risiko ein und wagte einen Blick ins Innere des Hauses. Nirgends brannte Licht, aber alles war sauber und ordentlich aufgeräumt. Über der Spüle hing ein Geschirrhandtuch – typisch Erin. Auf leisen Sohlen näherte er sich der Tür und drehte den Knauf. Nicht verschlossen.
Mit angehaltenem Atem trat er ein und horchte. Dann durchquerte er die Küche, ging ins Wohnzimmer. Schlafzimmer, Bad. Jetzt fluchte er laut, weil er ja wusste, dass sie nicht zu Hause war.
Falls sie überhaupt hier wohnte. Im Schlafzimmer stand eine Kommode. Er zog die oberste Schublade auf. Ein Stapel Unterwäsche. Er nahm ein Höschen in die Hand, rieb den Stoff zwischen Zeigefinger und Daumen – aber es war alles schon so lange her, er konnte sich nicht erinnern.
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