Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
mitnehmen sollen, aber daran hatte er nicht gedacht. Garantiert erkannte ihn Erin sofort. Er kämpfte sich trotzdem zum Eingang vor und betrat das Restaurant.
Da drüben, eine Bedienung – aber es war nicht Erin. Noch eine. Auch nicht. Die Kellnerin war jung und wirkte gestresst, weil sie offenbar nicht wusste, wo sie die nächste Gästegruppe unterbringen sollte. Es war laut – alle redeten, das Geschirr klapperte, die Gläser klirrten. Der Lärm brachte ihn völlig durcheinander, und die verdammten Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Sein Magen brannte.
»Arbeitet Erin heute?«, fragte er die Kellnerin. Er muss te schreien, um den Geräuschpegel zu übertönen.
Sie blinzelte irritiert. »Wer, bitte?«
»Katie«, verbesserte er sich. »Ich meinte Katie. Katie Feldman.«
»Nein!«, rief sie zurück. »Sie hat heute frei. Aber morgen ist sie wieder da.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie zu den Fenstern. »Vermutlich ist sie irgendwo da draußen, wie alle anderen auch. Ich glaube, vorhin habe ich sie gesehen.«
Kevin machte auf dem Absatz kehrt und ging. Dass er dabei mehrere Gäste anrempelte, war ihm gleichgültig. Draußen kaufte er sich an einem Stand eine Baseballmütze und eine billige Sonnenbrille. Jetzt ging es los.
Das Riesenrad drehte sich unermüdlich. Alex und Josh saßen auf der einen Bank, Kristen und Katie auf der anderen. Heißer Wind blies ihnen ins Gesicht. Katie hatte den Arm um Kristens Schulter gelegt, weil sie wusste, dass die Kleine etwas Angst hatte, obwohl sie tapfer lächelte. Als sie an der höchsten Stelle ankamen und man einen wunderbaren Blick über die ganze Stadt hatte, dachte Katie, dass selbst sie sich so hoch oben nicht besonders wohlfühlte, aber am meisten Sorgen machte sie sich wegen der Sicherheit des Riesenrads. Das Ding sah aus, als würde es von Haarklemmen und Maschendraht zusammengehalten. Aber angeblich war es am Morgen noch einmal offiziell inspiziert worden.
Jedenfalls hatte Alex das behauptet. Oder hatte er es nur erfunden, weil sie laut gefragt hatte, ob es nicht gefährlich sein könnte? Jetzt war es natürlich zu spät, um sich Gedanken zu machen. Deshalb lenkte sie sich lieber ab, indem sie die Menschen unten beobachtete. Der Jahrmarkt wurde immer voller. Man konnte in Southport sonst nie viel unternehmen, außer Boot fahren. Ein verschlafenes kleines Nest – solch ein Jahrmarkt war für alle der Höhepunkt des Jahres.
Das Riesenrad verlangsamte sich und hielt schließlich an, während unten die ersten Passagiere ausstiegen und neue ihre Plätze einnahmen. Während dieses Vorgangs schaute sich Katie die Leute genauer an. Ein paar Personen erkannte sie sogar. Sie waren Stammgäste im Ivan’s und aßen jetzt an einem Stand geschabtes Eis mit Sirup. Ihr Blick wanderte von einer Gruppe zu anderen, und sie muss te daran denken, wie sie ganz am Anfang, als sie anfing, im Ivan’s zu arbeiten, alle Leute misstrauisch beäugt hatte. Damals hatte sie immer Ausschau nach Kevin gehalten.
Kevin schlenderte an den Ständen vorbei, die auf beiden Straßenseiten aufgebaut waren, und versuchte, so zu denken wie seine Frau. Er hätte die Kellnerin fragen sollen, ob Erin in Begleitung eines Mannes war. Aber er wusste sowieso, dass jemand bei ihr sein musste, denn sie würde niemals allein auf einen Jahrmarkt gehen. Es fiel ihm nicht leicht, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass sie vermutlich kurze, dunkle Haare hatte. Er hätte seinen pädophilen Kollegen zwingen sollen, ihm ihr Führerscheinfoto zu beschaffen, aber der Gedanke war ihm nicht gekommen. Und eigentlich spielte es auch keine Rolle, denn er wusste ja, wo sie wohnte, und konnte jederzeit dorthin zurückkehren.
Er spürte die Pistole in seinem Hosenbund. Sie drückte, quetschte die Haut, und er schwitzte unter der Baseballmütze, vor allem, weil er sie so tief ins Gesicht gezogen hatte. Und dann dieses schauderhafte Gefühl, als würde gleich sein Kopf explodieren.
Er ging um Menschenknäuel herum, um Warteschlangen. Kunsthandwerk: verzierte Kiefernzapfen, Buntglasfenster, Windorgeln. Altmodisches Spielzeug, aus Holz geschnitzt. Die Leute stopften sich den Mund voll mit Brezeln und Eiscreme, mit Nachos und Zimtschnecken. Kleine Kinder in Buggies. Ja, dachte er, Erin wollte ein Baby. Er würde ihr eins machen. Einen Jungen oder ein Mädchen – ganz egal, aber ein Junge wäre ihm schon lieber, weil Mädchen egoistisch waren und das Leben, das er ihnen zu bieten hatte, nicht zu schätzen
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