Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
beide am Boston College beschäftigt, und seine Mom und sein Dad lasen vermutlich den Globe , während sie ihre morgendliche Tasse Kaffee tranken. Es waren Verbrechen begangen worden, auf dem Revier warteten verschiedene Zeugen, und Coffey und Ramirez tratschten bestimmt schon wieder über ihn.
Kevin ging unter die Dusche. Zum Frühstück gab es Wodka mit Toast. Bei der Arbeit wurde er losgeschickt, um in einer Mordsache zu ermitteln. Eine junge Frau, Mitte zwanzig und höchstwahrscheinlich eine Prostituierte, war erstochen worden. Ihre Leiche lag in einem Müllcontainer. Den ganzen Vormittag sprach Kevin mit Gaffern, um möglichst viele Beweismittel zu sammeln. Als er die Befragungen abgeschlossen hatte, ging er zurück aufs Revier, um den Bericht zu schreiben, solange alles noch frisch in seinem Gedächtnis war. Ja, er war ein guter Cop.
Auf der Wache war viel Betrieb. Das Ergebnis eines lan gen Wochenendes. Polizeibeamte, die telefonierten oder am Schreibtisch Notizen machten oder mit Zeugen sprachen oder Opfern zuhörten, die von ihren Qualen erzählten. Ein hoher Geräuschpegel, ein ständiges Kommen und Gehen. Dauernd klingelte irgendwo ein Telefon. Kevin ging zu seinem Schreibtisch, einem von vieren in der Mitte des Raums. Durch die Tür winkte ihm Bill zu, stand aber nicht auf. Ramirez und Coffey saßen an ihren Tischen, ihm gegenüber.
»Alles okay?«, erkundigte sich Coffey. Er war Anfang vierzig, hatte Übergewicht und bekam schon eine Glatze. »Du siehst ganz schön beschissen aus.«
»Ich hab schlecht geschlafen«, erwiderte Kevin.
»Ich schlafe auch immer nicht gut, wenn Janet weg ist. Wann kommt Erin wieder nach Hause?«
Kevin verzog keine Miene.
»Nächstes Wochenende. Ich nehme ein paar Tage frei, und wir wollen ans Cape fahren. Da waren wir seit Jahren nicht mehr.«
»Echt? Meine Mom wohnt dort. In welche Stadt wollt ihr?«
»Provincetown.«
»Genau da wohnt sie. Da gefällt es euch, unter Garantie. Ich bin auch oft dort. Wo habt ihr ein Zimmer gebucht?«
Wieso will er das alles wissen?, fragte sich Kevin. »Keine Ahnung«, antwortete er schließlich. »Um so was kümmert sich Erin.«
Er ging zur Kaffeekanne und goss sich einen Becher ein, obwohl er gar keine Lust auf Kaffee hatte. Auf jeden Fall musste er den Namen eines Bed-and-Breakfast und ein paar Restaurants heraussuchen, damit er irgendetwas erzählen konnte, wenn Coffey wieder fragte.
Seine Tage verliefen alle nach demselben Schema. Er arbeitete, befragte Zeugen und fuhr nach Hause. Der Job war anstrengend, und er wollte sich entspannen, aber zu Hause war nichts, wie es sein sollte, und die Arbeit verfolgte ihn. Früher hatte er gedacht, er würde sich irgendwann an den Anblick eines Mordopfers gewöhnen, aber die grauen, leblosen Körper gruben sich in sein Gedächtnis ein, und immer wieder kam es vor, dass ihm die Toten im Traum erschienen.
Er ging nicht gern nach Hause. Es begrüßte ihn keine wunderschöne Ehefrau mehr an der Tür. Seit Januar war Erin verschwunden. Inzwischen war das Haus ein einziges Chaos und völlig verdreckt, und er musste selbst die Wäsche waschen. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie die Waschmaschine funktionierte. Beim ersten Versuch hatte er viel zu viel Waschpulver verwendet, und als er die Sachen herausholte, waren sie noch ganz seifig. Keine selbst gekochte warme Mahlzeit stand auf dem Tisch. Keine Kerzen. Stattdessen holte er sich auf dem Heimweg irgendwo etwas zu essen und aß auf dem Sofa. Manchmal machte er den Fernseher an. Erin mochte HGTV , einen Sender speziell für Heim und Garten, also guckte er ihn jetzt oft, obwohl dadurch die Leere in seinem Inneren fast unerträglich wurde.
Wenn er heimkam, machte er sich nicht mehr die Mühe, seine Waffe im entsprechenden Kästchen im Schrank zu verstauen. Dort lag noch eine zweite Glock für den Privatgebrauch. Erin hatte schon immer große Angst vor Schusswaffen gehabt, auch bevor er ihr die Pistole an die Schläfe gedrückt und gedroht hatte, er werde sie erschießen, wenn sie je wieder weglaufen würde. Sie hatte geschluchzt und geschrien, während er schwor, jeden Mann zu töten, mit dem sie ins Bett ging. Jeden Mann, den sie mochte. Sie war so dumm! Und er hatte sich so aufgeregt, weil sie abgehauen war! Er hatte von ihr verlangt, ihm den Namen des Mannes zu nennen, der ihr dabei geholfen hatte. Diesen Mann wollte er umbringen. Aber Erin hatte nur immer lauter geschrien und um ihr Leben gefleht und ihm versichert, es gebe keinen anderen
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