Wie ein Prinz aus dem Maerchen
Atem. Noch nie hatte ihn jemand so angesehen!
Ich interpretiere zu viel in ihre Miene hinein, dachte er. Ihm war durchaus bewusst, dass sie ihn aus Pflichtgefühl heiratete. Sie hatte zudem bereits einen Ausweg gefunden, falls sie nicht miteinander zurechtkämen – die räumliche Trennung. Hoffentlich kommt es nie dazu!
Der Erzbischof erhob die Stimme, und Nikolas konzentrierte sich auf seine Worte. An seine erste Trauung hatte er keinerlei Erinnerungen, umso genauer wollte er diesmal zuhören. Dass er sich nach dem Austausch der Gelübde als Ehemann fühlen würde, bezweifelte er jedoch. Das würden erst die Zeit und hoffentlich die Kinder mit sich bringen. In jedem Fall aber würde er Veronia dienen und seine Pflicht erfüllen – als Prinz wie als Ehemann.
Worte und Ablauf der Zeremonie ähnelten im Wesentlichen den Hochzeiten, an denen Isabel in Charlotte teilgenommen hatte. Während der Erzbischof über Liebe, Treue und „bis der Tod euch scheidet“ predigte, hielt sie den Blick auf Nikolas gerichtet.
Auf die entscheidende Frage antwortete sie laut und deutlich: „Ich will.“
Inzwischen war ihr klar, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte. Dazu musste er sich jedoch in sie verlieben, so wie sie sich in ihn verliebt hatte.
Der Ring, den er ihr nun an den Finger steckte, ein wunderschöner goldener Reif mit Diamanten und einem Rubin besetzt, saß perfekt.
Anschließend nahm der Erzbischof Nikolas das Ehegelübde ab.
Nachdenklich fuhr sie mit einer Fingerspitze über den Reif, den sie für ihren Mann unter den Erbstücken des Königshauses ausgewählt hatte. Er sollte der Legende nach dem Träger Schutz bieten und für Ehrlichkeit stehen.
„Ich gebe dir diesen Ring als Zeichen meiner Liebe und Treue.“ Ihre Hände zitterten leicht, als sie ihm den Reif an den Finger steckte.
Daraufhin erklärte der Erzbischof sie zu Mann und Frau und sagte: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Ihr erster Kuss – vor Hunderten von Zuschauern! In heller Aufregung schloss Isabel die Augen, als Nikolas sich zu ihr neigte. Er streifte ihre Lippen flüchtig.
War das schon alles? dachte sie enttäuscht und schlug die Augen wieder auf. In diesem Moment wandte er sich ihr erneut zu, und diesmal küsste er sie richtig: leidenschaftlich, fordernd und lang anhaltend. So war sie noch nie geküsst worden, und es erschreckte und entzückte sie zugleich.
Schließlich zog Nikolas sich zurück, gerade so weit, dass er ihr ins Ohr flüstern konnte: „Ich freue mich jetzt schon auf heute Nacht!“
Den Hochzeitsempfang erlebte Isabel wie durch einen Nebel hindurch. Die Gäste genossen den in Strömen fließenden Champagner und die köstlichen Speisen. Zum ersten Mal fühlte sie sich tatsächlich wie eine Prinzessin. Nikolas wich den ganzen Tag nicht von ihrer Seite. Sie schwebte an seinem Arm über die Tanzfläche, und er machte sie mit so vielen Diplomaten und Würdenträgern bekannt, dass sie sich unmöglich alle Namen merken konnte. Nur selten ließ er ihre Hand los und gab ihr so das Gefühl, sie zu schätzen und für etwas Besonderes zu halten. Nun sah sie auch der Hochzeitsnacht etwas gelassener entgegen, obwohl sie sich natürlich aufgeregt fragte, wie ihre erste Begegnung im Bett verlaufen würde.
Nachdem die Torte angeschnitten und verteilt war, stand Isabel auf einem Treppenabsatz, um den Brautstrauß zu werfen. Die Blicke aller unverheirateten Frauen waren gespannt auf sie gerichtet.
„Ist etwas?“, fragte Nikolas leise, als sie nichts unternahm.
„Nein, ich genieße lediglich den Anblick.“ Erst letzten Sommer hatte sie selbst auf der Hochzeit einer Freundin diesem Moment entgegengefiebert. Egal ob adlig oder bürgerlich, alle Frauen sehnten sich danach, den Strauß zu fangen.
„Tu das“, flüsterte er ihr zu. „Aber früher oder später musst du die Damen aus ihrer Anspannung erlösen.“
Lächelnd wandte Isabel den Wartenden den Rücken zu, zählte bis drei, warf die Blumen hoch über ihren Kopf nach hinten und drehte sich rasch wieder um.
Die Hände hoch über den Kopf erhoben, verpassten einige Frauen den Strauß nur um Zentimeter. Schließlich landete das Bukett in Julianas Händen, die es überrascht ansah und prompt fallen ließ.
Hastig eilte der Hochzeitskoordinator herbei, hob den Strauß auf und drückte ihn der Prinzessin wieder in die Hand. Dann kam ein Fotograf, um Fotos mit der Braut zu machen.
Während die beiden Frauen posierten, raunte Isabel ihrer Freundin zu:
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