Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Haut. Beinahe glaubte er, dass er schließlich doch noch zu etwas nütze sein konnte. Zum Teufel, im Augenblick fühlte er sich, als könne er diese ersten dreißig Tiere mit ein wenig Glück in die feinste Rinderherde des ganzen verdammten Staates verwandeln!
Zum ersten Mal seit langer Zeit kam Jakes Lächeln aus vollem Herzen. Es wischte die Vorsicht, die immer in seinem Blick lauerte, beiseite und glättete die Linien der Bitterkeit um seinen Mund.
»Was würdest du jetzt gerne tun?«
»Tun?«, wiederholte Banner. Zu gerne würde sie seinen Mund küssen, während er so glücklich lächelte, um diese seltene Freude in ihm kennenzulernen. Aber ihr Stolz ließ nicht zu, ihn darum zu bitten, sie zu küssen.
»Heute ist dein Tag«, sagte Jake, als sie anscheinend nicht wusste, was sie sagen sollte. »Sag, was du möchtest, und du bekommst es. Was würdest du gerne sehen und tun? Lass uns anfangen mit einer Straßenbahnfahrt.«
Ihr war es eigentlich egal, was sie taten. Jake schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit, und das genügte.
Sie fuhren durch die ganze Stadt. Sie aßen in einem vornehmen Restaurant Roastbeef und stießen mit einer Flasche Wein auf ihre neue Herde an. Jake, der selbst schon beschwipst lachte, verbot ihr, ein drittes Glas zu trinken.
Sie gingen einkaufen. Banner zerrte ihn in ein Geschäft nach dem anderen, und er ließ es brummend zu. Sie wählte ein besticktes Taschentuch für Lydia aus, eine neue Schürze für Ma und eine Pfeife für Ross.
»Raucht er denn Pfeife?«, fragte Jake.
»Jetzt wird er es.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lächelte zu ihm empor. Wenn sie ihn gebeten hätte, die Pfeife aufzuessen, hätte er es getan. Sie war ganz und gar bezaubernd mit diesen tanzenden Chamäleonaugen, die mit ihrer Stimmung die Farbe zu wechseln schienen. Ihre lächelnden roten Lippen waren zu überwältigender Leidenschaft fähig, und die kleinste Erinnerung an ihre Küsse ließ sein Herz rasen. Man konnte dieses Gesicht voller Leben hundert Jahre anschauen und seiner nie überdrüssig werden. Erst ein diskretes Hüsteln des Kassierers brachte ihn wieder zu sich. Er bezahlte die Einkäufe, und sie kehrten ins Hotel zurück, um sich frisch zu machen und ein leichtes Abendessen einzunehmen.
Er hatte zugestimmt, mit ihr in die Abendvorstellung von My Sister’s Escapade ins Opernhaus zu gehen. »Lee und Micah kommen nicht mit?«, fragte sie, als sie auf dem Weg zu ihren Plätzen im zweiten Rang waren. Hinter der Verbindungstür hatte sie eine verstohlene Unterhaltung gehört, bevor sie das Hotel verließen, aber nichts verstehen können.
»Sie haben etwas anderes vor«, sagte Jake vage.
»Hättest du nicht auch lieber etwas anderes vor, statt auf mich aufzupassen?«
Er packte sie am Arm und führte sie den Gang entlang zu der Reihe, die auf ihre Karten gedruckt war. »Nein.« Als sie zweifelnd den Blick hob, wiederholte er sanft: »Nein.« Sie lächelten einander an und hatten kaum Zeit, ihre Plätze zu finden, bevor das Stück begann.
Sie sagte nichts weiter dazu, hoffte allerdings, dass er die Wahrheit sagte. Es war einer der glücklichsten Tage ihres Lebens.
Als sie zum Hotel zurückkehrten, schloss er die Tür zu ihrem Zimmer auf und folgte ihr. »Ich schaue mich besser einmal um.« Sie entzündete die Lampe, setzte den Hut ab und zog Handschuhe und Jacke aus, während er die Schranktür öffnete, hinter die Vorhänge und unters Bett schaute. Als er aufstand, staubte er sich die Hände ab und meinte: »Alles in Ordnung.«
»Gut.«
»Also …«
»Danke für heute, Jake. Es war ein wundervoller Tag.«
»Das freut mich. Du hast ein bisschen Vergnügen verdient.« Wie sie so dastand im goldenen Schein des Lampenlichtes, sah sie wunderschön aus. Er hätte gerne ihre Bluse berührt, nur um zu sehen, ob die Spitze so weich war, wie sie aussah. Und ihr Haar. Und ihre Wange. Und ihren Mund.
Banner zerknüllte das Programm, das sie im Opernhaus bekommen hatte, und vergaß ganz, dass sie vorgehabt hatte, es mit nach Hause zu nehmen, um es Lydia und Ma zu zeigen, bevor sie es in ihrer Andenkentruhe aufhob. »Du bist doch nicht nur aus diesem Grund bei mir geblieben, oder?«
»Aus welchem Grund?«
»Weil du das Gefühl hattest, ich verdiente es, du wärst es mir schuldig.« Sie senkte den Blick. »Um etwas wiedergutzumachen.«
Jake schlug seinen Hut gegen das Knie. »Jene Nacht in der Scheune kann ich nie wiedergutmachen, Banner. Damit muss ich leider versuchen zu leben.« Er
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