Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Ihre Gesichter waren grau und käsig, das Weiße in ihren Augen war von roten Linien durchzogen.
Lee ließ sich auf den Stuhl neben Banner fallen. Er stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch auf, legte den Kopf in die Hände und stöhnte. »Ich fühle mich furchtbar. Banner, würdest du mir bitte etwas Kaffee einschenken? Meine Hände zittern so, dass ich mich kaum rasieren konnte.«
Missbilligend rümpfte sie die Nase, goss aber ihm und Micah, der noch kein Wort gesagt hatte, starken schwarzen Kaffee ein.
»Wenn ihr mit Alkohol nicht umgehen könnt, solltet ihr besser nicht trinken«, sagte Jake weise.
Verschwörerisch lächelte er Banner an und zwinkerte ihr zu. Sie starrte ihn jedoch nur mit kühler Verachtung an, die sich gegen die männliche Bevölkerung im Allgemeinen richtete. Ihretwegen hatte Jake eine schreckliche Nacht hinter sich gebracht, und ihre herablassende Haltung nagte an ihm. Seine plötzlich schlechte Laune ließ er an den jungen Männern aus. »Los, beeilt euch und seht zu, dass ihr wenigstens etwas Kaffee trinkt! Ich will nicht, dass Mr Culpepper glaubt, er hätte es mit Trunkenbolden zu tun.«
Sie beschlossen, zu Fuß vom Hotel zum Büro des Viehhändlers in der Innenstadt zu gehen. Fort Worth knisterte vor Geschäftigkeit. Obwohl Banner fest entschlossen war, den ganzen Tag zu schmollen, nahm das Treiben der Stadt sie gefangen. Die Schaufenster waren voller verlockender Waren. Lebhafter Verkehr verstopfte die Straßen: Farmwagen, die mit Gütern und gaffenden Kindern beladen waren, schicke Einspänner, die von eleganten Damen gelenkt wurden, Cowboys zu Pferde, Straßenbahnen voller Menschen, die irgendwohin wollten und Besorgungen zu erledigen hatten.
Die Stadt strahlte Energie aus, und diese Energie war ansteckend. Als sie das Gebäude erreichten, in dem sich Mr Culpeppers Büro befand, funkelten Banners Augen. Selbst die Stimmung unter den Männern schien sich verbessert zu haben.
Als Jake Banner die Tür aufhielt, lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf sich. Als sie an ihm vorbeiging, sagte er: »Du siehst heute Morgen wirklich bezaubernd aus, Banner.«
Ihr Kopf fuhr herum. War da unterschwelliger Spott in seinem Kompliment? Nein. Seine blauen Augen schauten sie unverwandt an. »Danke, Jake.«
Sie trug dasselbe Ensemble, über das er vor zwei Tagen nur blöde gegrinst hatte. Sie hatte es sorgfältig in ihre Satteltasche gefaltet, da sie wusste, dass sie es für ihr Gespräch bei Mr Culpepper brauchen würde. Heute Morgen hatte sie die Falten, so gut es ging, geglättet und den Hut auf ihren Haaren, die sie hoch aufgetürmt hatte, wieder in Form gebracht. In den Ohren steckten ihre Perlenohrringe. Sie wusste, dass sie sehr geschäftsmäßig, aber auch sehr weiblich aussah.
Und Jake war das aufgefallen!
»Du siehst auch gut aus«, sagte sie ihm, als sie die Treppen hochgingen. Er trug dieselbe Kleidung wie bei ihrer Hochzeit.
»Danke«, murmelte er befangen.
Ein geschäftiger Angestellter führte sie in Mr Culpeppers Büro im zweiten Stock. Offensichtlich war der Händler überrascht, als Banner mit den anderen hereinkam, kaschierte es aber, indem er ihr einen Stuhl anbot.
Es war das Büro eines vielbeschäftigten Mannes. Die Möbel waren ein klein wenig staubig, auf seinem Schreibtisch lagen verstreut Papiere, Dokumente und Quittungen herum, die alle sehr schwierig und schrecklich offiziell aussahen. Die Regale hinter seinem Schreibtisch waren voller Bücher, Hauptbücher und Viehregister stapelten sich in ihnen.
Lee und Micah setzten sich auf das Rosshaarsofa an der Wand, froh dem Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster hereinfiel, entkommen zu sein. Sie waren zufrieden damit, Jake die geschäftlichen Transaktionen zu überlassen.
Zunächst wandte sich Mr Culpepper mit allem an Jake, aber nachdem Banner etliche scharfe, intelligente Fragen gestellt und er erfahren hatte, dass sie die Besitzerin der Farm war, für die das Vieh gekauft wurde, änderte er seine Meinung, dass sie nur eine hübsche junge Dame sei, die man nicht mit langweiligen geschäftlichen Details belästigen sollte.
Binnen einer halben Stunde hatte man sich auf einen Preis für die kleine Herde geeinigt. »Neunundzwanzig Herefordkühe und ein Bulle.« Culpepper dachte einen Moment nach. »Ich habe einen Brahmabullen, der eine … ähm … recht romantische Veranlagung bewiesen hat«, sagte er aus Rücksicht Banner gegenüber. »Er ist sehr wertvoll, aber ich könnte Ihnen einen Rabatt geben. Wären Sie an ihm
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