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Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Sheldon eine Kugel mitten zwischen die Augen.

25
    Sheldon war tot. Sein höhnischer Gesichtsausdruck wurde zu seiner Totenmaske.
    Jake wartete nicht ab, bis Sheldons Leiche vom Pferd auf den staubigen Boden stürzte. Er wirbelte herum und hastete zu Ross. Lydia hatte sich bereits über ihn gebeugt, schrie seinen Namen und umklammerte in Panik seine Hand. Jake schob die sprachlosen Rancharbeiter aus dem Weg.
    »O Gott«, hauchte Jake. Es erstaunte ihn, dass Sheldon einen solch akkuraten Schuss abgegeben hatte. Falls die Kugel Ross’ Herz überhaupt verfehlt hatte, dann nur um Haaresbreite. Die Kugel hatte ein hübsches kleines Loch in die Nähe einer anderen Narbe neben seiner linken Brustwarze gebohrt. Jake schauderte es, wenn er daran dachte, wie sein Rücken wohl aussah.
    »Lydia?« Der undeutliche Laut blubberte aus Ross’ Mund.
    Lydia hob den Kopf. Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Ihr Blick war leer. »Er hat Schmerzen, Bubba. Tu etwas«, bat sie ihn fast lautlos.
    Jake blickte auf seinen Freund nieder. Ross’ Augen waren geschlossen. Aber er war nicht tot. Noch nicht.
    »Wir wollen ihn ins Haus schaffen.« Er gab seinem Bruder und einigen anderen Arbeitern ein Zeichen, ihm zu helfen. Lee schien vor Ersetzen versteinert. Er stand in der Nähe und schaute seinen Vater an, als hätte er ihn noch nie gesehen. Banner stand neben ihm und umklammerte seinen Arm. Ihr Gesicht war kreidebleich.
    Jake wusste, welches Risiko sie auf sich nahmen, indem sie Ross bewegten, aber er wollte seinen Freund nicht im Dreck sterben lassen. Zwei Männer nahmen ihn an den Schultern, zwei an den Hüften, zwei an den Füßen und Jake am Kopf. Sie hoben Ross hoch und trugen ihn mit langsamen gesetzten Schritten ins Haus. Lydia folgte ihnen wie eine Schlafwandlerin.
    Sie wagten es nicht, die Treppe zu nehmen, sondern trugen Ross ins Büro. Ma hatte, als hätte sie geahnt, was Jake vorhatte, bereits eine Decke über das Ledersofa ausgebreitet. Vorsichtig legten die Männer Ross darauf.
    »Holt den Arzt, diesen jüngeren«, ordnete Jake an. Er riss Ross’ blutdurchtränktes Hemd auf. »Und den Sheriff. Lasst Sheldon bis dahin in der Sonne verrotten.« Respektvoll schlurften die Cowboys heraus, leise miteinander flüsternd.
    »Was brauchst du?« Ma war zum Sofa gekommen, wo Jake über Ross gebeugt stand. Das Veilchen über seinem eigenen Auge, seine anschwellende Lippe, die blutende Hautabschürfung auf der Wange bemerkte er gar nicht. Er erinnerte sich nicht einmal mehr daran, dass sie miteinander gekämpft hatten.
    Jake schaute zu seiner Mutter hoch. Sein Blick verriet ihr, dass sie nichts mehr tun konnten. Dann wandten sie sich Lydia zu, die genauso bleich aussah wie ihr Mann. Ihr Gesicht wirkte trostlos und zerstört. Ihr zuliebe sagte er: »Heißes Wasser, Verbandszeug.«
    Ma ging ohne Kommentar zur Tür. Jetzt musste sie ihrer ungeheuren Stärke vertrauen. Sie hatte fünf Kinder und ihren Ehemann begraben. Immer wenn sie sicher gewesen war, vor Kummer sterben zu müssen, hatte sie sich selbst damit überrascht, dass sie weiterlebte. Sie warf einen Blick zurück auf Lydia und sandte ein Gebet zum Himmel, dass auch die jüngere Frau eine Quelle des Mutes finden möge, um zu überleben, was das Schicksal für sie bereithielt.
    »Wirst du die Kugel herausholen?«, fragte Lydia Jake mit der leisen hohen Stimme eines Kindes.
    Ihre Blicke senkten sich ineinander. »Nein, Lydia. Sie ist zu nahe am Herzen. Das würde ihn sicher töten.«
    Ein Schluchzen entfuhr ihren zitternden Lippen, und sie stürzte neben dem Sofa auf die Knie. Wieder drückte sie Ross’ Hand. »Er ist stark. Er wird es überleben. Ich weiß es.«
    Gott sei Dank war Ross bewusstlos geworden. Jetzt öffneten sich seine Augen flatternd. Er schien Schwierigkeiten zu haben, jemand anderen als seine Frau wahrzunehmen. Unfehlbar fiel sein Blick auf sie. Irgendwie fand er genug Kraft, die Hand zu heben und ihr Haar zu berühren.
    »Bleib … bei …«
    »Das werde ich. Das werde ich.« Tränen strömten über ihre Wangen und in ihren Mund. Sie leckte sie fort und beugte sich vor, um Ross zu küssen. »Ich werde dich nie verlassen. Ich werde immer bei dir sein. Immer.«
    Banner stand mit gefalteten Händen am Ende des Sofas und schaute auf die gewaltige Brust ihres Vaters. Die Haut, die normalerweise gebräunt und gesund aussah, war jetzt schwammig und fahl. Der Teppich aus schwarzem Haar, der sie bedeckte, bildete einen harten Kontrast dazu. Die Wunde befand sich

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