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Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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unterhalb der Narbe, wegen der sie schon immer neugierig gewesen war. Ihre Eltern hatten ihr erzählt, dass Ross im Krieg verletzt worden war. Jetzt fragte sie sich, ob das stimmte. Weil jeder gehört hatte, dass Grady einen anderen rief, bevor er das Gewehr abgefeuert hatte.
    Sonny Clark.
    Ihr Vater hatte den Kopf gehoben. Er hatte den Namen erkannt. Mama auch. Welches Geheimnis verband sie? Wer war der Vater des Babys, das ihre Mutter in den Wäldern geboren hatte, bevor Jake sie fand? Und wer war Papa wirklich?
    War das wichtig? Mein Gott, warum hatte sie all diese Jahre darüber nachgedacht? Ihr Papa lag im Sterben, und da war es gleichgültig, wie sein Name lautete oder wie es gekommen war, dass er ihre Mutter geheiratet hatte. Sie liebte ihn, und ein wichtiger Teil von ihr würde sterben, wenn er es tat.
    Ein Leben ohne Papa, ohne seine Stärke, ohne sein weiß blitzendes Lächeln unter dem Schnurrbart, der kitzelte, wenn er sie küsste? Nein!
    Ach, Gott, und sie hatten sich gestritten, kurz bevor Grady auf ihn schoss. Grady, Grady, in der Hölle sollst du schmoren! , schrie sie im Geiste. Tränen verwischten ihre klare Sicht. Sie schloss die Augen. In zwei Strömen rannen ihr die Tränen ungehindert die Wangen hinab. Dies war ihr zweiter Hochzeitstag, der in einer Tragödie endete.
    Jake wusch die Wunde mit dem Wasser, das Ma in einer Blechschüssel hereintrug. So gut er es vermochte, stillte er den Blutstrom mit Streifen eines alten Lakens. Ross’ Brust hob und senkte sich wie ein defekter Blasebalg. Er kämpfte um jeden Atemzug, der ihm durch die Kehle rasselte.
    Aber er war jetzt wach, bemerkte, was um ihn vor sich ging. Die grünen Augen waren vor Schmerz getrübt, aber nicht ausdruckslos. Ross hatte noch viele Dinge zu erledigen, bevor er starb. Wer wollte dafür sorgen, dass sie erledigt wurden.
    »Ruf Lee und Banner«, keuchte er. Allein, diese Worte zu äußern, kostete ihn viel Kraft, aber niemand wagte zu widersprechen. Ma gab Lee ein Zeichen herzukommen, und er stolperte, halb blind durch die Tränen in seinen Augen, auf seinen Vater zu. Er konnte sich nicht damit abfinden, dass das Leben seines Vaters, der ihm immer groß und standhaft wie eine Eiche erschienen war, an einem seidenen Faden hing.
    Banner sank neben ihrer Mutter auf die Knie und legte ihrem Vater die Hand auf das Schienbein. Lee kniete sich ans Fußende des Sofas. Jake und Ma traten zur Seite.
    Ross konzentrierte seinen Blick auf Lee. Zustimmend nickte er beim Anblick des prächtigen Sohnes, den er mit Victoria Gentry gezeugt hatte. In den ersten Tagen nach seiner Geburt hatte Lee um sein Leben gekämpft. Das hatte ihn stark gemacht.
    Der Blick der grünen Augen wanderte zu Banner. Ross lächelte, als er sich an die vielen Male erinnerte, als sie ihm auf den Schoß geklettert war und ihn gebeten hatte, ihr eine Geschichte zu erzählen. Er konnte ihre Flanellnachthemden, frisch von der Wäscheleine, noch riechen und erinnerte sich an das Gefühl ihrer kleinen rosa Zehen, die er in seinen Händen gewärmt hatte. Jetzt war sie eine Frau, eine schöne Frau, so sprühend vor Leben wie ihre Mutter.
    Lydia. Jetzt schaute er sie an. Fast schien es, als wäre er, so lange er denken konnte, nur damit beschäftigt gewesen, Lydia anzuschauen. Ihr Anblick erfüllte seine schwindenden Sinne. Mein Gott, wie sehr er sie liebte! Nichts auf Erden ließ sich mit den Freuden vergleichen, die er bei ihr gefunden hatte.
    Zum ersten Mal war er wütend über das, was passiert war. Wilder, ohnmächtiger Zorn durchströmte seinen sterbenden Körper. Wenn er nicht mit Jake gekämpft hätte, wenn er seinen Pistolengürtel getragen hätte, vor allem wenn er nichts zu verbergen gehabt hätte … Wenn, wenn, wenn.
    Es war eine müßige Übung, und er hatte keine Zeit, um sie damit zu verplempern. Beinahe wäre er schon vor über zwanzig Jahren gestorben, nach einem Banküberfall von Schüssen durchlöchert. Gott hatte es für richtig erachtet, ihn noch weiterleben zu lassen, ihm eine zweite Chance gewährt, ihm das wunderbare Leben mit Lydia geschenkt. Am göttlichen Willen hatte er nichts auszusetzen.
    »Erzähl es ihnen.« Diese Worte hervorzustoßen erforderte alle Kraft, die er aufbringen konnte.
    Lydia musste nicht fragen, was er meinte. »Bist du sicher?«
    Er zwinkerte einmal zustimmend. Besser, seine Kinder verstanden, warum er gewaltsam sterben musste, als für immer im Dunkeln zu bleiben. Was nützte es jetzt noch, das Geheimnis zu bewahren? Würden sie

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