Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
gefühlt hatte. Am liebsten hätte sie ihn weiter angestarrt und versucht, die Gedanken hinter dieser undurchdringlichen Maske zu ergründen, aber sie musste etwas sagen.
»Es ist meine Ranch«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Ich sollte meinen eigenen Vormann aussuchen dürfen.«
Jakes Lippen zuckten, und er blinzelte mit den Augen, als ob blitzschnell ein Schmerz über sein Gesicht glitte. »Hältst du mich nicht für fähig?«
Plötzlich war sie wütend auf ihn. Wenn er Ross und Lydia gegenüber nicht so verdammt entgegenkommend gewesen wäre, befände sie sich jetzt nicht in dieser Situation. Sein abwehrender Ton vergrößerte nur ihren Zorn. »Ja, ich weiß, dass du fähig bist! Aber du bist von meinen Eltern handverlesen worden als Kindermädchen. Ich brauche keinen Wachhund.«
»Kindermädchen!«, rief Jake und ging angriffslustig auf sie zu, bis sie beinahe aneinanderstießen. »Meinst du, ich verplempere meine Zeit da drüben damit, dich zu füttern? Da hast du dich aber gewaltig geirrt, junge Dame! Weißt du, wie hart es ist, Gatter zu bauen, Stacheldraht zu ziehen, Heu zu verladen? Du kannst Ross fragen, wie viel Arbeit es kostet, bis man so weit ist wie er. Es bricht dir das Kreuz und saugt dir das Mark aus den Knochen. Du erinnerst dich nicht an das Blut, den Schweiß und die Mühe, die er und Lydia in River Bend gesteckt haben, aber ich.«
Ihre Augen blitzten gefährlich auf. »Ich bin kein Narr, Jake Langston, und ich bitte dich, nicht so mit mir zu reden, als wäre ich einer.«
»In Ordnung, aber dann hör auf anzudeuten, ich würde den ganzen Tag blöd herumsitzen, dir Gesellschaft leisten und dich unterhalten, denn so wird es nicht sein.«
»Mich … unterhalten …«, spie sie hervor.
Ross kreuzte die Beine, faltete die Arme über der Brust und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch. Er genoss das Spektakel. Jake war genau wie jeder andere dafür verantwortlich, dass Banner verzogen worden war. Es war höchste Zeit, dass er auch eine andere Seite an ihr kennenlernte. Ross glaubte, dass ihre Hochnäsigkeit ihn eher dazu anspornen würde, den Job anzunehmen, als seine Meinung zu ändern.
Lydia setzte sich ruhig auf das Sofa, breitete den Rock um die Füße und sah aus, als genösse sie eine Matinee im Theater. Banners übliche Sturheit brach sich hier Bahn. Sie war nicht länger die weinerliche, sitzen gelassene Braut. Diese Kehrtwendung freute ihre Mutter.
»Ich erwarte nicht, dass irgendjemand mich unterhält!«
»Gut. Nur damit das klar ist.«
»Ich habe vor, meinen Teil der Arbeit zu leisten.« Mit einer ungeduldigen Kopfbewegung schleuderte Banner ihre Haare über die Schulter.
»Das wirst du, verdammt noch mal, auch tun.« Jake unterstrich seine Feststellung, indem er ihr drohend seinen Finger vor die Nase hielt.
Sie schlug seine Hand beiseite. »Über den Punkt sind wir uns also einig. Und hör auf, mich anzuschreien!«
»Ich will nur nicht, dass du weiche Knie bekommst, sobald wir drüben sind.«
»Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine weichen Knie!«
»Da ist nämlich nicht nur der Ranchbetrieb, um den man sich kümmern muss«, fuhr er fort, als hätte sie gar nichts gesagt, »sondern da sind auch noch die täglichen Hausarbeiten wie Kochen und Wasserpumpen und Feuerholz schleppen.«
»Ich schaffe es schon, mich zu ernähren, Mr Langston, aber glaub ja nicht, dass ich kostbare Zeit damit vergeude, an einem heißen Herd zu hantieren, wenn ich draußen sein kann.«
»Aber, Banner, du musst doch Jakes Essen kochen!«
Banners Blick wandte sich dem Gesicht ihrer Mutter zu. Sie öffnete den Mund, brachte aber – zu verblüfft zum Reden – keinen Ton heraus. »Aber … aber isst er denn nicht mit allen anderen Arbeitern in der Unterkunft?«
»Das wäre verdammt unbequem«, entgegnete Ross. »Er bleibt da drüben bei dir. Wir dachten, er könnte in der Sattelkammer hinten in der Scheune schlafen.«
Ungläubig blickte Banner zwischen ihren Eltern hin und her. Schließlich sah sie Jake an: »Du bist damit einverstanden, dort zu schlafen … zu leben?«
Diese Frage hatte für Banner und Jake eine besondere Bedeutung. Sie hatten sich beinahe darauf geeinigt, gemeinsam auf der Ranch zu arbeiten. Ihre Jobs wären genau festgelegt. Es gäbe nicht sehr viele Gelegenheiten, bei denen sie einander in die Quere gerieten. Aber wenn er jede Nacht dort bliebe, so nahe beim Haus schlief, seine Mahlzeiten mit ihr einnahm, war das etwas anderes.
»Das gehört mit zum
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