Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
in die andere Richtung.
Rasch blickte sie beiseite, als sei sie dabei erwischt worden, wie sie einen intimen Akt beobachtete.
»Darüber wollte ich heute Morgen mit dir reden«, sagte Ross. »Deine Mutter hat mir erzählt, du willst auf dein Land ziehen und mit der Viehzucht beginnen.«
»Ja, Papa.«
Ross schaute Lydia und dann wieder seine Tochter an. Er hoffte, dass er das Richtige tat. Sie wirkte so zerbrechlich, so verwirrt. Mordgedanken richteten sich auf Sheldon. Er würde nicht zulassen, dass dieser Hurensohn das Leben seiner Tochter ruinierte! Vielleicht hatte Lydia recht. Vielleicht brauchte Banner diese Chance, um ihr Leben wieder ins rechte Gleis zu bringen. Sie war eine willensstarke, energische junge Frau. Müßiggang würde sie nicht ertragen. Dass sie sie jetzt so verhätschelten, irritierte sie bereits. »In Ordnung. Du hast unsere Erlaubnis.«
Banners Augen füllten sich mit Tränen der Dankbarkeit. Sie hatte geglaubt, dass sie Grady über alles liebte. Jetzt wusste sie, dass sie ihn nicht annähernd so sehr liebte wie ihr Land. Es zu verlieren wäre ein viel größerer Verlust gewesen, als Grady zu verlieren. »Danke, Papa.«
»Jake hat zugestimmt, dein Vormann zu sein.«
In diesem Augenblick sprang Banner vom Sofa hoch, als sei etwas aus den Kissen gefahren und hätte sie gebissen. Sie verlangte, dass Ross wiederholte, was er gerade gesagt hatte.
Als die verhassten Worte auf sie zu wirken begannen, wirbelte sie zu dem Mann herum, der immer noch schweigend am Fenster stand. Er hatte sich nicht gerührt, so als wäre er taub und blind.
Banner blickte wieder ihren Eltern ins Gesicht. »Ich brauche keinen Vormann.«
»Aber natürlich«, sagte Ross in vernünftig-sachlichem Ton. »Du kannst die Ranch nicht allein führen.«
»Doch!«
»Nein. Und selbst wenn du es könntest, würde ich dich nicht allein dort wohnen lassen.«
»Es sind doch nur ein paar Kilometer!«
»Ich weiß, wie weit es ist«, sagte Ross und hob seine Stimme ein wenig. »Also, damit ist das Thema beendet.«
»Nein, ist es nicht, Papa.« Banner wurde ebenfalls lauter. »Das Land gehört mir. Du hast es mir geschenkt. Ich werde die Entscheidungen treffen.«
»Das Land gehört dir unter dieser Voraussetzung.«
»Das ist nicht fair!«
»Vielleicht nicht, aber so ist es nun einmal.«
»Könntet ihr euch beide bitte beruhigen«, unterbrach Lydia die beiden streng. »Hört einander doch zu!«
Banners Zorn flaute ein wenig ab, brodelte aber noch, wie bei Ross, unter der Oberfläche. Banners Augen waren genauso hitzig wie Ross’ grüne, ihr Kinn ebenso störrisch.
Beschwichtigend sagte Lydia: »Banner, wir dachten, du würdest dich freuen. Wolltest du nicht genau das? Gegen Jake kannst du doch wohl keine Einwände haben. Du hast ihn doch schon immer geliebt und ihn jedes Mal, wenn er abreiste, angefleht zu bleiben.«
Banner warf Jake einen schnellen Blick zu. Er schaute noch immer zum Fenster hinaus, als nähme er ihre Unterhaltung gar nicht wahr.
»Es ist nicht so, als hätte ich irgendetwas gegen Jake. Natürlich ist das nicht der Grund.« Banner befeuchtete nervös ihre Lippen und redete hastig weiter. »Es ist nur einfach, dass ich niemanden brauche, der auf mich aufpasst. Ich bin kein Kind mehr. Glaubst du nicht, dass ich in der Lage bin, gute Arbeit zu leisten?«
»Deine Mutter und ich haben völliges Vertrauen zu dir«, erwiderte Ross.
»Dann lass mich die Ranch so führen, wie ich es möchte.«
»Jake wird nichts unternehmen, was du nicht anordnest«, sagte Ross. »Jake, wir haben noch nichts von dir gehört. Hast du vor, da drüben irgendetwas zu unternehmen, das Banner nicht passt?«
Jake wandte sich langsam um, aber Banner sah es nicht. Sie ließ den Blick rasch zu Boden sinken. Nur durch schiere Willenskraft verhinderte sie, dass sie bestürzt die Hände rang.
»Ich weiß, was getan werden muss«, meinte Jake knapp.
»Banner auch. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten. Aber ich werde den Job nicht annehmen, wenn sie es nicht möchte.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Wie ist es, Banner?«
Sie konnte einfach nicht. Sie konnte nicht in jene Augen blicken und die Verachtung darin sehen. Aber sie hatte keine andere Wahl. Ihre Eltern beobachteten sie und warteten auf ihre Antwort. Langsam hob sie den Kopf und schaute Jake an.
Sein Gesicht gab nichts preis. Sein Blick war kühl, weder anklagend noch selbstgefällig. Sein Blick war leer, so leer, wie sie sich während der letzten zwei Tage
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