Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
zu seinem Wagen, damit sie … ähm …«
    Wusste Banner, dass Lydia Lee gestillt hatte? Wusste sie, dass ihre Mutter gerade ein tot geborenes Baby zur Welt gebracht hatte, als er und Luke sie fanden? Er glaubte nicht, und er würde es ihr nicht erzählen.
    »… damit sie ihm bei der Pflege von Lee half«, beendete er den Satz.
    »Aber warum hatte sie sich im Wald verirrt? Woher kam sie? Hatte sie denn keine Familie?«
    Clancey Russell, dachte Jake. Sein Gesicht wurde hart, und er ballte seine Hände zu Fäusten, als er an den Mann dachte, der seinen Bruder aus schierer Bösartigkeit getötet hatte, ohne einen einzigen Grund. »Nein«, antwortete er knapp. »Keine Familie, von der ich wüsste.«
    Banner dachte darüber nach und schaute ihn misstrauisch an, als wüsste sie, dass er log. »Ich wünschte, wir hätten eine größere Familie, mit Großeltern und Cousins zum Spielen.«
    »Du bist doch von lauter Langstons umgeben«, sagte er aufgeräumt, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
    »Ja, und darüber bin ich froh. Aber es ist nicht dasselbe, wie Blutsverwandte zu haben. Niemand hat jemals gesagt ›Banner erinnert mich an Tante Soundso‹ oder ›Was macht die Gicht von Vetter Soundso‹?«
    »Ich glaube nicht, dass Ross oder Lydia nennenswerte Familie haben.«
    »Das ist es ja gerade: Sie sprechen nie darüber«, rief Banner. »Sie haben nicht einmal Verwandte erwähnt, die bereits gestorben sind. Es ist, als hätten sie gar nicht existiert, bevor sie einander getroffen haben. Das hat mich schon immer beunruhigt.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie und warf die Hände in einer frustrierten Geste zur Seite. »Ich habe das Gefühl, als gäbe es irgendein schreckliches Geheimnis, das eines Tages herauskommt und uns alle ruiniert.«
    Jake hatte sein eigenes Geheimnis. Er wusste nicht, ob sie besser dran war, es nicht zu kennen und frustriert zu sein oder es zu kennen und sich mit den Geistern der Vergangenheit herumschlagen zu müssen. »Das ist doch ganz egal, Banner.«
    Sie sah ihn gequält an. »Das hat der alte Moses mir auch immer geantwortet.«
    Jake lächelte. »Er war deinen Eltern sehr ergeben. Du hättest dir denken können, dass du ihn nicht aushorchen kannst.«
    »Ich hatte ihn so schrecklich lieb«, sagte sie und geriet in eine sentimentale Stimmung. »Er war einer meiner ersten Freunde. Wenn Mama und Papa beschäftigt waren und Lee mich einfach ignorierte, beschäftigte er sich mit mir. Er nahm mich immer zum Angeln mit und brachte mir das Schnitzen bei. Ich habe den Bogen nie richtig herausbekommen, aber einige meiner ersten Spielsachen hat er für mich gemacht. Ich fand ihn, als er starb.«
    Jake beobachtete, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Instinktiv langte er über den Tisch und bedeckte ihre Hand mit seiner. »Das wusste ich nicht.«
    Sie nickte. »Eines Morgens ging ich früh zu seiner Hütte. Wir hatten vor, an jenem Tag Beeren zu pflücken. Er saß auf der Veranda seiner Hütte.« Plötzlich richtete sie sich gerade auf, und ihr Tonfall veränderte sich. »Du weißt, dass er Papa nie irgendetwas für sich tun ließ. Er sagte immer, er sei einst ein Sklave gewesen und wolle nie wieder von jemandem abhängen, der für ihn sorgte. Er baute sich seine eigene Hütte unten am Bach.« Jake nickte.
    »Er saß also«, fuhr sie fort, »auf der Veranda. Als ich näher kam, bemerkte ich, dass er seinen Kopf seltsam hielt. Ich rief seinen Namen, aber er rührte sich nicht. Ich wusste, er musste tot sein. Ich fing an zu weinen und rannte zum Haus zurück.«
    Tröstend kreiste Jakes Daumen über ihren Handrücken. »Kanntest du Winston Hill, den Mann, mit dem Moses nach Texas gekommen ist?«, fragte sie schließlich und tupfte sich die Augen mit der Serviette ab.
    »Ja. Das war ein echter Südstaatengentleman mit sehr guten Umgangsformen. Er war kränklich.«
    »Moses erzählte mir, dass er auf dem Weg starb.«
    Aber nicht, wie er starb, dachte Jake. Hill war in die Brust geschossen worden, als er Lydia vor ihrem Stiefbruder schützte. Niemand außer Jake wusste das. Er hatte gehört, wie Clancey vor Lydia damit prahlte, Winston Hill und Luke ermordet zu haben. Clancey hatte das nicht lange überlebt.
    Jake war erst sechzehn gewesen, aber bis ans Ende seiner Tage würde er sich daran erinnern, wie Clancey ihn ausdruckslos anstarrte, als das Messer in seinen Leib fuhr und er wusste, dass er sterben würde.
    Jake bemerkte, dass er Banners Hand zusammenquetschte, und ließ sie

Weitere Kostenlose Bücher