Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
verrückt nach Kindern, Drake. Sie wird die Kleine nach Strich und Faden verwöhnen, glaub es mir.«
»Ist doch schön. Das lässt Jennifer sich bestimmt gern gefallen.« Aus Drakes Stimme klang so viel Warmherzigkeit, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Hatte er denn gar keine Skrupel, überlegte Lauri. War ihm nicht klar, dass sich ihre Ehe-Farce nicht lange würde aufrechterhalten lassen? Warum sagte er das alles? Was bezweckte er damit?
Sobald ihre Eltern die Treppe hochgestiegen und im oberen Gang verschwunden waren, kniff sie argwöhnisch die Augen zusammen. Musterte Drake skeptisch. Er erwiderte ihren Blick, als könnte er kein Wässerchen trüben. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sein arrogantes Grinsen ging ihr gehörig auf den Wecker. Er schien sich sichtlich zu amüsieren über ihre unbehagliche Situation, dieser Schuft!
»Warum , Drake?«, flüsterte sie bewusst leise, damit ihre Eltern nur ja nichts aufschnappten von ihrem Gespräch. »Wieso hast du ihnen so eine himmelschreiende Lüge aufgetischt?«
»Meine Vorstellung war echt Oscar-verdächtig, was? Du solltest mir dankbar sein, dass ich dir deinen hübschen Hals gerettet habe, Lauri. Die Beweislage sprach nämlich eindeutig gegen dich. Sie haben die richtigen Schlüsse gezogen, und das passte dir doch auch nicht, oder? Dafür ist es jetzt ein bisschen zu spät«, bemerkte er, als sie die Deckenbeleuchtung einschalten wollte. »Besser, du lässt das Licht aus. Dann sieht man auch nicht so deutlich, wie abgeknutscht und zerzaust du aussiehst …«
»Hörst du jetzt endlich auf?«, zischte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Drake, meine Eltern glauben, dass wir verheiratet sind! Kannst du mir mal einen guten Tipp geben, was ich machen soll, wenn sie die Wahrheit herausfinden?«
»Dann sagst du ihnen einfach, dass es mit uns beiden nicht klappte und wir uns wieder getrennt haben«, meinte er lakonisch.
Sie sank auf das Sofa und schlug die Hände vors Gesicht. »Sie waren am Boden zerstört, als ich mich seinerzeit von Paul getrennt hatte. So etwas möchte ich ihnen nicht noch einmal zumuten.«
Er schwieg für eine kurze Weile und sagte dann leise: »Dann nehme ich eben alles auf mich, schildere ihnen, dass ich dich heftig angemacht hätte und dass das Ganze nur ein blöder Ausrutscher war. Dafür haben sie doch sicher Verständnis, oder? Als Geistlicher vergibt dein Vater mir die kleine Sünde bestimmt.« Seine aufgekratzte Stimme irritierte sie mehr als seine dreiste Lüge.
»Wag es bloß nicht, Drake!« In ihre Augen trat ein mordlüsternes Glitzern. »Untersteh dich, sie oder mich zu verschaukeln«, warnte sie ihn mit leiser, harter Stimme.
Sobald er ihren kalten, vernichtenden Blick gewahrte, wurde er schlagartig ernst. »Verzeih mir. War nicht so gemeint. Ich respektiere sowohl den Berufsstand deines Vaters als auch seine strengen Moralvorstellungen.«
Das klang ehrlich. Seufzend erwiderte sie: »Das tut hier nichts zur Sache. Fest steht, was für dich eine Szene aus einer romantischen Farce ist, sieht für sie total realistisch aus. Und ich möchte ihre Empfindungen nicht noch einmal verletzen.«
»Lauri, du bist fast dreißig«, gab er zu bedenken. »Du musst dein Leben nach deinen eigenen Vorstellungen leben. Das mag ihnen bisweilen nicht passen. Aber das ist normal für Eltern. Sie leben nach ihren Standards und du nach deinen.«
»Du verstehst das nicht«, stöhnte sie gereizt. »Ich kann mich nicht entsinnen, ihr Vertrauen jemals missbraucht zu haben. Wenn ich wüsste, sie würden etwas, was ich tue, nicht gutheißen, würde ich es ihnen verschweigen. Nicht um mich, sondern um sie zu schützen. Ich fände es offen gestanden taktlos, ihnen irgendwelche Indiskretionen auf die Nase zu binden.«
»Aber du hast doch gar nichts gemacht!«, sagte er scharf, dann senkte er die Stimme. »Und ich muss es schließlich am allerbesten wissen. Zumal mir deine keusche Zurückhaltung ganz ordentlich zu schaffen macht.«
Trotz ihres schwelenden Konflikts ließ seine Äußerung ihr Herz höher schlagen. Sie nahm den Blick von ihm. »Ich habe mir nichts vorzuwerfen, und wenn ich ihnen die Fakten nüchtern darlegen würde, würden sie mir glauben. Es ist nur« – sie gestikulierte fahrig mit den Händen, als fehlten ihr die richtigen Worte –, »sie gehören halt einer anderen Generation an. Es wäre schwierig für sie. Sie könnten niemals akzeptieren, dass ich unter diesen Umständen mit einem Mann unter einem Dach
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