Wie eine Rose im Morgentau
als Bryn am Abend anrief. Sie war eben dabei, nach oben zu gehen, als das Telefon im Flur klingelte. „Zu Anfang war sie noch ein bisschen nervös, aber es hat keine Probleme gegeben.“
„Wunderbar.“ Er klang erleichtert. „Du hast ihr sehr geholfen, Rachel, aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen.“
„Ich mag deine Mutter, und bin einfach nur da gewesen, mehr nicht.“
„Das weiß ich sehr zu schätzen. Und deshalb möchte ich dich irgendwann zum Abendessen ausführen.“
„Du hast mich doch schon mit einem wunderschönen Abend beschenkt“, erklärte sie nach kurzem Zögern. „Und einem teuren Geschenk. Es ist nicht nötig …“
„Das war eine geschäftliche Angelegenheit. Und das Geschenk war dafür, dass du mich vor unangenehmen Fragen bewahrt hast.“
Wegen Kinzi, meinte er wohl. Allerdings war Rachel sicher, dass er andere Frauen kannte, die sich gerne angeboten hätten, neben ihm zu repräsentieren.
Aber vielleicht hätten diese Frauen nicht so bereitwillig die Ersatzrolle in letzter Minute akzeptiert.
„Deine Mutter hat mir ein wunderschönes Kleid geschenkt“, warf sie ein, „aber ihr habt beide abgelehnt, dass ich es selbst zahle.“
„Das war für eine Veranstaltung von Donovan Industries. Hättest du es dir sonst gekauft?“
„Nein.“ Nie im Leben.
„Na also.“ Damit wechselte er das Thema. „Hast du diese Woche einen Abend Zeit? Sonst schlag einen anderen Termin vor.“
Als ob sie ausgebucht wäre. „Und deine Mutter?“
„Meinst du, dass du eine Anstandsdame brauchst?“
„Ich dachte nur, dass du sie auch ausführen willst.“
„Wir sollten sie nicht zu sehr bedrängen.“
„Aber sie ist dann allein.“
„Nur für ein paar Stunden.“ Seine Stimme klang nun forsch. „Ich verspreche auch, dich vor Mitternacht nach Hause zu bringen. Wie wär’s mit Donnerstag?“
Sie kannte diesen Ton. Er würde nicht aufgeben. Und jeder weitere Protest würde so klingen, als ob sie sich in typisch weiblicher Manier zieren würde, was sie ganz und gar nicht mochte. Tatsächlich war die Aussicht auf einen Abend mit Bryn sehr verlockend, selbst wenn er versteckte Risiken in sich barg.
„Na schön“, lenkte sie ein. „Möchtest du noch mit Pearl sprechen?“
„Nicht nötig. Ich hole dich am Donnerstag um sieben ab. Nicht weit von Rivermeadows gibt es einen Landgasthof. Ich denke, es wird dir dort gefallen.“
Pearl schien erfreut, als Rachel ihr erzählte, dass Bryn sie unbedingt zum Abendessen einladen wollte. „Als Belohnung, weil ich ihn zu dem Ball begleitet habe“, fügte sie hinzu. Denn sie wollte nicht, dass Pearl etwas anderes dahinter vermutete.
Am Donnerstag wählte sie ihr moosgrünes Kleid, in dem sie sich immer wohl gefühlt hatte, und schlang noch einen goldenen Kettengürtel um ihre Hüften. Aber dann zögerte sie. Ob das übertrieben war? Doch als sie nach unten kam, wo Bryn bereits auf sie wartete, sah sie, dass er mit seiner dunklen Hose und dem eleganten Seidenhemd auch dem Anlass entsprechend gekleidet war.
Anerkennend sah er sie an, und auch Pearl versicherte ihr, dass sie sehr hübsch aussähe, und wünschte ihnen einen schönen Abend.
Sie brauchten fast eine Stunde bis zu dem Restaurant, das malerisch oben auf einem Hügel lag und einen wunderschönen Ausblick auf das Tal bot, während in der Ferne die Lichter der Stadt über dem Hafen blinkten.
Die Tische waren mit dunkelroten Damastdecken, Servietten und einer Blumenschale geschmückt. Leise klang klassische Musik durch den Raum, die zu der zurückhaltenden Eleganz des Gastraums passte.
Der Maitre, der Bryn kannte, führte sie zu einem Tisch, der ein wenig versteckt in einem Erker stand, hinter dessen großen Fenstern sich die abendliche Landschaft erstreckte. Wenig später kam ein Ober mit ledergebundenen Speisekarten und der Weinkarte.
Auch wenn Rachel vermutete, dass Bryn schon mit Kinzi hier gewesen war, fragte sie nicht danach. Verärgert über sich selbst, studierte sie die Karte und meinte kühl: „Und, was würdest du empfehlen?“
„Sie ändern oft die Gerichte“, erklärte Bryn. „Der Küchenchef ist ein wahrer Könner. Ich bin noch nie enttäuscht worden.“
Nachdem sie gewählt hatten, fragte Bryn, ob Rachel einen bestimmten Wein bevorzugen würde. Doch sie überließ ihm die Auswahl. Er bestellte und meinte nach dem zweiten Glas: „Du fährst heute nicht. Wenn du zum Dessert noch etwas anderes möchtest, kannst du es gern sagen.“
Rachel schüttelte den Kopf. Wie er
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