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Wie einst in jenem Sommer

Wie einst in jenem Sommer

Titel: Wie einst in jenem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Ross
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regeln.
    Trotzdem war sie Lillys Patentante, darauf hatte Jo bestanden.
    „Ich könnte mir niemand anderen als dich vorstellen, der mit auf meinen kleinen Schatz achtgibt“, hatte sie Carrie bei ihrem letzten Gespräch versichert. Wir sind zwar nicht blutsverwandt, aber du bist ein Teil meiner Familie, und es ist mir sehr wichtig, dass du die Patenschaft übernimmst.“
    Natürlich war es Carrie eine Ehre gewesen, diese schöne Aufgabe zu übernehmen.
    Immer wieder musste sie nun an Jos Worte denken. Bei ihrer Rückkehr von Hongkong nach London hatte sie einen Brief vorgefunden, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass Jo und Theo bei einem Autounfall ums Leben gekommen seien. Beide waren noch an der Unfallstelle gestorben. Der Brief war nur vier Tage nach der Taufe aufgegeben worden.
    Mit tränenverschleiertem Blick betrachtete sie die Insel. Energisch trocknete sie die Tränen. Seit sie die Nachricht von Jos Anwalt erhalten hatte, weinte sie sich die Augen aus dem Kopf. Natürlich half das auch nichts. Sie musste sich jetzt zusammenreißen – Lilly zuliebe.
    Außer Andreas hatten Jo und Theo keine Verwandten. Momentan befand Lilly sich in seiner Obhut. Das bereitete Carrie Sorgen, denn sie wusste ja nur zu gut, dass Andreas kein Familienmensch war. Ein sechs Monate altes Baby passte nicht in sein Junggesellenleben.
    Außerdem war er beruflich offenbar noch immer so eingespannt wie eh und je. Bei jedem ihrer Besuche auf der Insel hatte er durch Abwesenheit geglänzt, weil er irgendwo wichtige Verhandlungen führte.
    Was sollte also aus der kleinen Lilly werden – verwaist und allein?
    Tag und Nacht zerbrach Carrie sich darüber den Kopf. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich von dem Anwalt sogar Andreas’ Telefonnummer geben lassen. Sie wollte ihn fragen, ob er eine Lösung wisse.
    Es war der erste Kontakt seit zwei Jahren gewesen. Das Gespräch war sehr gezwungen abgelaufen. Andreas’ lässige Art machte sie noch immer wütend.
    Zunächst hatten sie sich kurz über Lilly und ihre Eltern unterhalten. Als Andreas den Namen seines Bruders erwähnte, versagte ihm fast die Stimme, und Carrie kamen die Tränen. Doch als sie ihm ihr Mitgefühl aussprechen wollte, fuhr er ihr einfach über den Mund. Abweisend teilte er ihr mit, dass es keinen Sinn hätte, nach Pyrena zu kommen, und Lilly ginge sie sowieso nichts an.
    Die Fähre verlangsamte das Tempo, als sie in den Hafen einfuhr. Die erfrischende Seebrise wurde von bleierner Hitze abgelöst.
    Wenn Andreas denkt, er könne mich überreden, Pyrena fernzubleiben, dann hat er sich geschnitten, dachte sie wütend. Lilly war ihr sehr wichtig, und sie wollte sich persönlich davon überzeugen, dass es der Kleinen gut ging.
    Sie hatte zwar keine Ahnung, was das mit sich bringen würde, aber sie würde ihr Bestes geben. Allerdings war sie keine Blutsverwandte und hatte somit keine Rechte, im Gegensatz zu Andreas, der als Lillys Onkel wahrscheinlich zum Vormund berufen wurde. Dabei war Carrie sicher, dass Jo viel lieber sie mit dieser Aufgabe betraut hätte. Deshalb war sie jetzt hier.
    Sie hatte in der Nähe von Andreas’ Wohnung ein Zimmer in einer Taverne gebucht. Sie wollte sich einen Überblick über die Lage verschaffen und dann entscheiden, wie sie vorgehen sollte.
    Der Motorenlärm beim Anlegen der Fähre war ohrenbetäubend. Männer am Pier fingen die Taue auf und machten das Boot an der Kaimauer fest.
    Dann wurde die Heckklappe hinuntergelassen, und die Autos fuhren an Land. Carrie griff nach ihrem Koffer und folgte dem Strom der nicht motorisierten Passagiere über die Gangway.
    Tiefe Traurigkeit ergriff sie, als sie den ersten Schritt auf die Insel setzte. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit. Jedes Mal hatte Jo Carries Ankunft ungeduldig erwartet und ihr aufgeregt zugewinkt, wenn sie von Bord ging. Schnell verdrängte Carrie diesen Gedanken. Das tat einfach zu weh.
    Stattdessen konzentrierte sie sich auf Dinge, die sich nicht verändert hatten. Die Fischerboote lagen noch immer vertäut an der Kaimauer. Die alten Fischer saßen daneben und flickten ihre Netze. Auf der anderen Straßenseite befanden sich einige weiß getünchte Häuser gegenüber dem Anleger. Die Felder, die in der nahezu unerträglichen Hitze fast verdorrt waren, zogen sich kreuz und quer über die Insel, bis hinauf zu den Bergen.
    Suchend sah Carrie sich nach einem Taxi um, konnte jedoch weit und breit keins entdecken.
    Mit den hochhackigen Schuhen war es kein Vergnügen, auf dem unregelmäßigen

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