Wie entführt man einen Herzog?
wäre besser daheim geblieben, sagte Adam sich, denn seine Gedanken wanderten immer wieder zu Bellston House und der jungen Frau, die er dort zurückgelassen hatte. Der Unterhaltung seiner Freunde vermochte er kaum zu folgen. Und es wunderte ihn nicht, dass John Minton ihn fragte: „Warum schauen Sie eigentlich so finster drein?“
Tatsächlich war weder das Kartenspiel, bei dem er verloren hatte, noch das politische Streitgespräch, das er albern fand, seiner Laune förderlich gewesen. Seine Freunde schienen keine Ahnung von dem zu haben, worüber sie sprachen. Penny hingegen hatte ihn mit ihrem fundierten politischen Wissen überrascht. Es war eine Freude gewesen, mit ihr zu diskutieren.
Durch das Erscheinen eines Kellners, der eine Nachricht für Lord Colton brachte, wurde Adam einer Antwort auf Johns Frage enthoben. Tim öffnete das Schreiben, und alles Blut wich aus seinen Wangen. „Bitte, entschuldigen Sie mich. Ich muss sofort nach Hause.“
„Was ist geschehen?“, erkundigte Adam sich. „Nichts Schlimmes, hoffe ich.“
„Wahrscheinlich geht es unserer kleinen Sophie nicht gut. Sie ist in letzter Zeit mehrfach krank gewesen. Deshalb bin ich ein wenig in Sorge um sie.“
Da Adam wusste, wie sehr Tim seine Tochter liebte, bot er sogleich an, den Freund zu begleiten, denn dieser machte einen äußerst bedrückten Eindruck.
„Danke!“ Tim war bereits auf dem Weg zur Tür.
Als sie sich dem Haus der Coltons näherten, stellten die Freunde überrascht fest, dass alle Fenster hell erleuchtet waren. Aus dem Großen Salon drang Stimmengewirr, und jemand spielte Klavier.
Tim stieß einen Fluch aus, riss sich den Hut vom Kopf und eilte, gefolgt von Adam, zum Salon. Kaum eingetreten, drückte Clarissa ihm ein Glas in die Hand. Dann wandte sie sich zu den versammelten Gästen um und erklärte: „Bedauerlicherweise ist mein Gatte aufgehalten worden. Nun, hier ist er endlich!“
Adam hörte, wie Tim wütend flüsterte: „Du wusstest, dass ich den Abend bei White’s verbringen wollte. Trotzdem hast du mich hergelockt, damit ich den Gastgeber für Leute spiele, die ich nicht eingeladen habe.“
„Und du wusstest“, zischte Clarissa zurück, „dass ich gemeinsam mit dir und einigen Freunden dinieren wollte. Du hast meine Pläne durchkreuzt. Tu das nicht noch einmal, sonst wirst du es bereuen.“
„Bestimmt nicht mehr, als die Hochzeit mit dir.“ Tim lachte, damit die Gäste glaubten, er scherze mit seiner Gattin. Doch Adam war klar, wie ernst dieser Streit war.
Clarissa legte ihm plötzlich die Hand auf den Arm. „Adam, darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
„Danke. Für ein Glas Wein dürfte meine Zeit reichen. Dann allerdings muss ich mich verabschieden.“
„Ach ja, die treue Penelope wartet auf Sie.“ Clarissas Lächeln war boshaft. „Wann beabsichtigen Sie denn, Ihre Braut ins gesellschaftliche Leben einzuführen? Wie schade, dass Sie sie heute nicht mitgebracht haben!“
„Sie haben selbst gehört, dass meine Gattin den Abend lieber daheim verbringen wollte“, gab Adam scheinbar gelassen zurück.
„Ja. Dabei brennen alle darauf, sie kennenzulernen.“ Clarissa schaute sich um und stellte zufrieden fest, dass genug Leute in der Nähe standen und lauschten. „Die Duchess of Bellston“, erklärte sie, „ist die Tochter eines Buchdruckers und ungeheuer reich. Leider entsprechen ihre Interessen so gar nicht den unseren. Sie ist lieber mit Büchern als mit Menschen zusammen.“
Sie hat nicht gelogen und trotzdem allen ein völlig falsches Bild von Penny vermittelt, dachte Adam. Er fragte sich, ob er irgendetwas tun konnte, um seine Gattin vor unangenehmen Gerüchten zu schützen. Doch es wollte ihm nichts einfallen. Schließlich sagte er lachend: „Aus Ihrem Munde, Clarissa, hört sich das an, als sei meine Gattin eine Menschenfeindin. Das ist sie nun wirklich nicht! Heute Abend wollte sie einfach gern in dem Buch lesen, das ich ihr zur Hochzeit geschenkt habe. Aber selbstverständlich werden wir in Zukunft auch an Gesellschaften teilnehmen.“ Dann setzte er, beinahe gegen seinen Willen hinzu: „Tatsächlich planen wir einen Ball. Sie alle“, er schaute in die Runde, „werden dann Gelegenheit haben, meine Gemahlin zu treffen.“
Anerkennendes Gemurmel war zu hören. Adam wusste, dass er das Richtige getan hatte. Er hatte den schlimmsten Gerüchten einen Riegel vorgeschoben. Der Preis dafür erschien ihm angemessen. Doch würde Penny das auch so sehen?
Penelope saß vor
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