Wie es dem Glück beliebt
Tod – das Leben das war, was man daraus machte. Aber Sophie glaubte fest an ein System von Gleichgewicht und Ausgleich, das er verwirrend und grausam fand.
»Wie kannst du so leben?«, fragte er in bekümmertem Staunen. »In dem Glauben, dass alles Gute, was dir widerfährt, einen Preis hat?«
»Um die Kleinigkeiten habe ich mich nie gekümmert«, erklärte Sophie. »Jeder hat gute und schlechte Tage. Darin bin ich nichts Besonderes. Es sind die wirklich großen Ereignisse, die meine Aufmerksamkeit verlangen.«
»Es ist dir nicht gestattet, etwas Wunderbares zu erleben, ohne einen Preis dafür zu zahlen, ist es das?«
»Ja, aber du brauchst nicht so entsetzt zu klingen. Es gilt in beide Richtungen. Häufig geschieht das Schreckliche zuerst, und dann weiß ich, dass ich etwas Wunderbares habe, auf das ich mich freuen kann.«
Nun, das war immerhin etwas. Ein sehr kleines Etwas.
»Bis auf den Tod«, räumte sie mit einer Grimasse ein. »Der Tod spielt nach Regeln, in die ich nicht eingeweiht bin.«
Regeln, Kosten, Bilanzen, Gleichgewicht.
»Wer hat dir diese Idee in den Kopf gesetzt?«, fragte er. Er konnte sich ganz gut vorstellen, dass es Mr Wang gewesen war. Jeder Mann, der töricht genug war, ein impulsives und eigensinniges Kind (und er wusste einfach, dass Sophie als Kind impulsiv und eigensinnig gewesen war) mit Messern spielen zu lassen, war wahrscheinlich auch dumm genug, ihre Ohren mit solchem Unrat zu füllen, den ein fantasievolles Mädchen (und sie war schließlich auch fantasievoll) aufsaugen würde wie ein Schwamm. Außerdem war Mr Wang der Einzige, den Alex neben Mrs Summers in Verdacht hatte, und er war sehr geneigt, nur Gutes über Sophies ehestifterische Anstandsdame zu denken.
»Dir ist wohl nicht in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht allein darauf gekommen bin«, erwiderte sie.
Tatsächlich war es ihm in den Sinn gekommen, aber er hoffte, dass es anders war. Er freute sich darauf, das Thema mit dem gedankenlosen Bastard, der dafür verantwortlich war, auszutragen.
»Nun, das habe ich nämlich«, fuhr Sophie fort, ohne auf seine Antwort zu warten. »Aber es ist auch eine allgemein akzeptierte Tatsache.«
»Was heißt ›allgemein‹.«
»Oh, mein Vater, Mrs Summers, Mr Wang und einige andere, die mich eine Weile kennen.«
Nun, zumindest Mr Wang konnte er verprügeln. Mal sehen, wie alt ihr Vater war.
»Ich weiß, du glaubst es nicht, Alex, aber …«
»Was ich glaube, tut ja jetzt nichts zur Sache«, erklärte er mit einer Schnelligkeit, die sie in Erstaunen versetzte.
Er war bereit, seine eigenen Überzeugungen beiseitezuschieben, um ihre besser zu verstehen. Die Selbstlosigkeit dieser kleinen Geste beschämte sie.
»Wenn ich mich nicht irre«, fuhr er fort, »bitte, korrigiere mich, wenn ich das tue, glaubst du, dass unsere Liebe als Preis ein Unglück herausfordert, das dem Wert dieser Liebe ebenbürtig ist. Habe ich recht?«
»Ja!«, rief sie, erleichtert, dass er zu verstehen schien, wie ernst diese Sache für sie war. »Und weil dies das Beste ist, das absolut Beste, was jemals mir oder irgendjemand anderem widerfahren könnte, stell dir nur vor, was der Preis sein wird! Ich weiß nicht, ob ich ihn zahlen könnte. Es muss etwas geschehen.«
Es gefiel Alex gar nicht, wie das klang.
Mit zwei langen Schritten war er bei ihr. Dann umfasste er ihr Gesicht mit seinen starken Händen und beugte sich vor, bis seine Stirn an ihrer lag.
»Was schlägst du vor, Sophie? Wirst du mich verlassen?« Die Frage kam ziemlich erstickt heraus.
Sie zuckte zusammen. »Ich weiß es nicht«, stieß sie hervor.
Er strich mit den Daumen über ihre Schläfen. »Ich liebe dich. Ich liebe dich mit meinem Herzen, mit meinem Körper, mit jedem Atemzug. Wenn ich dich verlöre, wäre mein Leben nichts, ein endloser, wacher Albtraum. Du hast gesagt, du liebst mich ebenfalls. Ist es für dich nicht ganz genauso?«
Sie nickte. »Doch.«
»Und wenn du von unserer Liebe Abstand nehmen würdest, was wäre da eine hinreichender Ausgleich für diesen Schmerz, Sophie? Was könnte den Verlust von dem, was wir haben, wettmachen?«
Gedankenverloren schwieg sie für einen Moment. »Nichts«, flüsterte sie schließlich mit einem Anflug von Überraschung in der Stimme. »Nichts könnte es je wettmachen, wenn ich dich verlöre.«
»Warum also gehen?«
Sie schien ihn nicht zu hören. Sie drehte den Kopf zur Seite, und ihr Blick zuckte durch den Raum, ohne etwas zu sehen. Immer noch dachte sie über das nach,
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