Wie es dem Glück beliebt
ein, in ihre Geheimnisse und Träume, und das alles ohne Peinlichkeit oder Verstellung, und sie fühlte sich akzeptiert.
»Gütiger Himmel«, rief Mirabelle und riss Sophie aus ihren Betrachtungen. »Seht nur, wie spät es ist!« Sie griff in ihr Ridikül und kramte einige Münzen heraus, die sie auf den Tisch legte. »Wir treffen uns bei dir zu Hause, Kate. Das sollte meinen Anteil abdecken.«
Kate betrachtete die Münzen und seufzte. »Willst du mir nicht erlauben …?«
Mirabelles zorniger Blick ließ sie abbrechen.
»Also schön«, murmelte Kate.
Sophie griff nach ihrer eigenen Tasche. »Fährst du nicht mit uns zurück, Mirabelle?«
Mirabelle schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe noch eine Besorgung zu machen, aber ich erlaube nicht, dass ihr meinethalben zu spät kommt. Ich werde für den Rückweg eine Droschke nehmen. Und sieh mich nicht so an, Kate, ich werde einen der Bediensteten und eine Zofe mitnehmen, und deine Mutter braucht niemals davon zu erfahren.«
»Es macht mir nichts aus, zu warten, wenn du möchtest«, erbot sich Sophie.
»Das ist lieb von dir, aber ich bestehe darauf, dass du zu deiner Mrs Summers zurückkehrst. Sie klingt wie ein veritabler Habicht.«
»Im Allgemeinen schon«, sagte Sophie. »Aber in letzter Zeit war sie bemerkenswert nachlässig.«
Mirabelle drückte Kate einen Kuss auf die Wange, dann drehte sie sich um und tat das Gleiche mit Sophie. »Dann sehe ich euch morgen beim Tee«, sagte sie und verschwand.
Es war keine Bitte gewesen, sondern eine offene Einladung. Sophie schaffte es nur mit knapper Not, das breite Lächeln zu verbergen, das von Ohr zu Ohr gereicht hätte und sie zweifellos wie eine halb Wahnsinnige hätte aussehen lassen. Sie hatte Freundinnen.
Kate und Sophie beglichen ihre Rechnungen und traten auf die Straße hinaus, um auf ihre Kutsche zu warten. Es war wirklich ein schöner Tag, sonnig, aber mit genug Kühle in der Luft, dass Sophie sich nicht überhitzt fühlte in ihrer vielschichtigen Kleidung.
»Unsere Kutsche sollte jeden Moment hier sein«, bemerkte Kate. »Einer von den … wahrhaftig, was um alles in der Welt tut dieses Mädchen da?«
Damit beschäftigt, das selbst herauszufinden, antwortete Sophie nicht sofort. Ein junges Mädchen, vielleicht auch eine Frau – sie war zu sehr in Lumpen eingehüllt, als dass Sophie ihr Alter hätte abschätzen können –, hatte sich ganz in die Mitte der Straße begeben und beugte sich über die Pflastersteine. Sie wandte den Mädchen den Rücken zu, aber trotzdem konnte Sophie sehen, dass sie mit den Fingern in der Rille zwischen zwei Steinen grub.
»Denkst du, sie hat etwas verloren?«, fragte Kate hoffnungsvoll.
»Ich denke, das hat sie, aber ich bezweifle ernsthaft, dass es etwas Greifbares ist«, erwiderte Sophie bekümmert. Die Frau war ganz offensichtlich wahnsinnig. Das war ein durchaus alltägliches Gebrechen, und es gab herzlich wenig, was man dagegen tun konnte oder dagegen tun würde für Frauen wie diese. Sie mochte vielleicht in einem drittklassigen Irrenhaus untergebracht werden, was, wenn man bedachte, wie grässlich selbst erstklassige Anstalten den Gerüchten zufolge waren, ihr mehr schaden als nutzen würde. Oder möglicherweise würde sie einfach davonlaufen und verhungern. Sophie fragte sich, ob sie dem Mädchen ihre Hilfe anbieten konnte. Zumindest konnte sie ihr genug Geld für eine ordentliche Mahlzeit und einen Platz zum Schlafen geben.
Sie hatte jedoch keine Erfahrung im Umgang mit Wahnsinnigen und war sich nicht ganz sicher, wie sie es bewerkstelligen sollte. Was, wenn sie gewalttätig war?
»Diese Straße ist für gewöhnlich ziemlich belebt«, murmelte Kate. »Was sie da tut, kann nicht sicher sein.«
Kate hatte recht. Die Bond Street war ein Einkaufsparadies für junge Damen und daher ein idealer Jagdgrund für junge Herren. Sophie sah sie schon den ganzen Morgen die Straße auf und ab paradieren, mit ihren eleganten Pferden angeben, ihren schmucken Kutschen, ihren schnellen Phaetons … wie dem, der gerade um eine Ecke geschossen kam.
Beide Mädchen schnappten bei ihrem Anblick nach Luft.
»Vorsicht!«, brüllte Sophie und versuchte mit wildem Gestikulieren, den Kutscher des Phaetons auf das Mädchen aufmerksam zu machen.
»Steh auf, Mädchen!«, rief Kate der hockenden Gestalt zu.
Weder der Phaeton noch die junge Frau auf der Straße achteten auf die kreischenden Mädchen auf dem Gehweg. Der junge Mann an den Zügeln war zu beschäftigt damit, sich den Hals zu
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