Wie es dem Glück beliebt
verrenken, um festzustellen, wer seine tollkühne kleine Ausfahrt beobachten mochte, und die junge Frau, nun, es ließ sich einfach nicht sagen, was sie tat.
»Steh auf!«, brüllte Sophie abermals, und erstaunlicherweise tat die junge Frau wie geheißen. Sie drehte sich zu dem Phaeton um und machte absolut keine Anstalten, ihm aus dem Weg zu gehen.
»Lieber Gott«, flüsterte Kate entsetzt.
Sophie hörte sie nicht. Sie war bereits vorwärts gestürmt.
10
Die Tat wäre eine spektakuläre Zurschaustellung von Heldentum gewesen.
Sie wäre als Beispiel von Tapferkeit gerühmt worden.
Hätte das Mädchen sich nicht in letzter Sekunde entschlossen, aus eigenem Antrieb beiseite zuspringen und Sophie ins Leere laufen zu lassen.
Sophie war nach vorn gestürzt, um das Mädchen zu packen und wegzureißen. Jetzt raste sie allein dahin, und ihre Füße bewegten sich zu schnell, um stehen zu bleiben, und zu langsam, um mit der oberen Hälfte ihres Körpers mithalten zu können. Sie spürte einen heftigen Luftzug, als der Phaeton vorbeiraste und sie nur um Zentimeter verfehlte. Sie musste sich jetzt einfach fallen lassen, das wusste sie. Irgendwann würde sie es tun müssen. Es gab jetzt kein Zurück mehr, und wenn sie nicht fiel, würde sie schließlich …
Sophie sah den Schlag der Kutsche noch, bevor sie dagegen prallte. Dann wurde alles schwarz. Ihre Beine gaben unter ihr nach. Sie erwartete, mit den Knien hart aufs Pflaster zu schlagen, und hoffte flüchtig, dass sie das von dem heftigen Schmerz in ihrer Stirn ablenken würde. Der Aufprall kam nie. Stattdessen landete sie auf etwas Weichem, Warmem und …
Oh nein. Bitte, nein, bitte, nein, bitte!
Als der Geruch zu ihr durchdrang, begriff Sophie, dass kein Betteln sie retten würde.
Sie spürte, wie Kate an ihrem Arm zog. »Steh auf, Sophie, du kniest in Pferde …«
»Ich weiß!«
Sophie ignorierte das Gekicher und das unverblümte Gelächter der Menge, die einen Kreis zu formen begann, und erlaubte Kate, ihr auf die Füße zu helfen und sie zu dem Gehweg zu führen. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen.
»Bist du verletzt?«, fragte Kate mit dem mitfühlendsten Gesichtsausdruck, den Sophie je gesehen hatte.
»Nein«, erwiderte Sophie kläglich. Und warum zum Teufel nicht? Gewiss sollte man erwarten, dass man, wenn man sich mit dem Kopf voraus gegen eine Kutsche warf, bewusstlos sein sollte.
Am besten für mehrere Tage.
»Bist du sicher?« Kate starrte ihr unverwandt auf die Stirn. »Du bist böse mit dem Kopf aufgeschlagen und hast irgendetwas Schreckliches gemurmelt.«
»Ich habe geflucht.«
»Wirklich? In welcher Sprache?«
»Mandarin vermutlich.«
»Oh.«
»Hör auf, mir auf die Stirn zu starren, Kate, mir geht es recht gut. Ich will einfach weg von hier.«
»Oh, ich glaube dir, das heißt, dass es dir gut geht. Es ist … es ist nur so, dass du das Wappen des Earls auf der Kutschentür getroffen hast, und jetzt hast du einen überaus erstaunlichen Abdruck von einer Lilie« – Kate zeigte auf Sophies Stirn – »genau hier.«
Sophie berührte zaghaft die anstößige Stelle und stöhnte.
Kate legte nachdenklich den Kopf schräg. »Ich frage mich, ob es einen blauen Fleck geben wird wie – oh, sieh mal, da kommt Alex.«
Oh. Lieber. Gott.
Sophie ließ die Finger von der Stirn sinken. Es war wohl vergeblich zu hoffen, dass er nicht Zeuge ihrer demütigenden Vorstellung geworden war. Er kam aus einem Laden an der Ecke, und von diesem ging natürlich auch ein großes Fenster auf die Bond Street.
»Lass uns einfach winken und gehen«, flüsterte Sophie in Panik.
»Wir werden nichts dergleichen tun«, meinte Kate naserümpfend. »Es wäre feige.«
Sophie schaute auf ihr pferdemistverschmiertes Kleid hinab und traf eine Entscheidung.
»Damit kann ich mich abfinden.«
»Du wirst es später nur bereuen«, erklärte Kate entschieden. »Außerdem schauen inzwischen mindestens ein Dutzend wichtige Leute zu, mehrere von ihnen berüchtigte Klatschbasen, und sie alle werden jetzt mitansehen, dass der Herzog von Rockeforte sich nach deinem Wohlergehen erkundigt. Es wird eine Menge dazu beitragen, jedweden Schaden zu beheben, den dein Ruf durch dieses kleine Missgeschick erlitten hat. Jetzt Kinn hoch und lächeln.« Kate hatte ihre Ansprache leise und eilig gehalten, damit der sich schnell nahende Alex nichts davon mitbekam.
»Sind Sie verletzt, Sophie?« Alex wirkte eher besorgt als erheitert. Sophie war sich nicht sicher, ob ihr das eine oder andere
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