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Wie es mir gefaellt

Wie es mir gefaellt

Titel: Wie es mir gefaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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peinlich. »Dad!«, wimmerte sie. Wieso
konnte er nicht ein einziges Mal normal sein?
    Rufus beachtete sie
nicht. »Wohin gehen wir, Walt Whitman? / In
einer Stunde machen die hier zu. / In welche Richtung zeigt heute Abend dein
Bart?!« Er richtete einen wurstfettigen Finger
auf Leo. »Wer hat's geschrieben?«
    »Dad!« Jenny rüttelte aufgebracht an
dem altersschwachen Holztisch. Alles in der riesigen Altbauwohnung Ecke 99.
Straße und West End Avenue, in der die Humphreys wohnten, war im Zustand der
Auflösung begriffen. Aber war es denn ein Wunder? Sie hatten ja auch weder eine
Mutter noch eine Haushälterin, die hinter ihnen herräumte.
    »Na los, Junge. Einfacher geht's
kaum!«, röhrte Rufus in Leos Richtung. In diesem Moment setzte plötzlich die
    Schallplatte
ein, die er vor dem Essen aufgelegt hatte, und das eigenartig schrille
peruanische Gejodel von Yma Su- mac erfüllte den Raum. Rufus schenkte sich
Rotwein nach und sah Leo erwartungsvoll an.
    Leo lächelte höflich. »Tja... ich weiß
nicht, ob ich...«
    Dan beugte sich vor und flüsterte ihm
für alle hörbar ins Ohr: »Allen Ginsberg. >Ein Supermarkt in Kaliforniens
Total easy.«
    Jenny stieß ihren Bruder unter dem
Tisch an. Musste er so ein Klugscheißer sein?
    Rufus biss die Zähne aufeinander. »Doch noch nicht eingelöst, was ich versprach, und Meilen, Meilen noch vorm
Schlaf«, rezitierte er und starrte Leo mit
hervorquellenden schlammbraunen Augen drohend an.
    Leos platinblondes Haar sah beinahe
durchsichtig aus, während er unter Rufus' erbarmungslosem Blick in sich
zusammenschrumpelte. »Öh...«
    »Dad!«, rief Jenny ein drittes Mal. »Hör auf!« Sie wusste, dass Rufus bloß das
wundervoll-wilde Vatertier spielte, um die übrigen sechs Tage dieser Woche
wettzumachen, an denen Dan und sie vor dem Fernseher irgendwelchen
Fressbudenfraß hatten essen müssen, aber anscheinend merkte er nicht, dass
Lyrik eben nicht Leos Ding war.
    »Das weiß ja sogar ich«, rief Elise
dazwischen. »Robert Frost, >Innehaltend inmitten der Wälder an einem Schneeabends
Das mussten wir in der Achten auswendig lernen.« Sie drehte sich stolz zu Dan
um. »Siehst du, ein bisschen was weiß ich doch über Gedichte.«
    Rufus spießte eine Bratwurst auf und
warf sie Leo auf den blauen zersprungenen Teller. »Auf welche Schule gehst du
denn?«
    Leo wischte sich mit dem Handrücken
über den Mund. »Auf die Smale.« Er räusperte sich. »Auf die Smale, Sir.«
    Sein
Blick hüpfte nervös zu Jenny hinüber, die ihm gegenübersaß und aufmunternd
lächelte.
    »Hmm.« Rufus nahm eine Wurst zwischen
Zeigefinger und Daumen, biss die Hälfte ab und spülte den Bissen mit einem
großzügigen Schluck Wein hinunter. »Nie von gehört.«
    »Die legen den Schwerpunkt auf Kunst«,
erklärte Dan.
    »Ach, und Lyrik ist keine Kunst?«,
bellte Rufus.
    Jenny hatte es vor lauter Wut auf ihren
Vater den Appetit verschlagen. Er war zwar immer brummelig und bärbeißig,
aber normalerweise auch sehr lieb - wieso musste er Leo jetzt so gemein fertig
machen?
    »Und du hast jetzt also einen Job beim Red Letter?« Rufus hob anerkennend
sein Glas in Dans Richtung. »Ich kann es noch gar nicht glauben.« In Rufus'
Arbeitszimmer stand ein ganzer Schrankkoffer voll unvollendeter Gedichte, die
nie veröffentlicht worden waren, obwohl er selbst Verleger war. Jetzt machte
Dan die Karriere als Dichter, die ihm selbst nie vergönnt gewesen war.
    »Gut gemacht, Junge!«, knurrte er.
»Hauptsache, du legst dir jetzt nicht auch so einen künstlichen europäischen Akzent
zu wie die ganzen anderen Schwachmatiker.«
    Dan runzelte die Stirn und dachte an
Siegfried Kästies schwer verständliches, germanisch gefärbtes Englisch, das
sich allerdings ziemlich authentisch angehört hatte. »Was meinst du damit?«
    Rufus beharkte kichernd seine Banane.
»Das wirst du schon noch merken. Jedenfalls bin ich sehr stolz auf dich, mein
Sohn. Mach weiter so und du wirst noch vor deinem zwanzigsten Geburtstag ein
gefeierter Dichterfürst.«
    Plötzlich stand Leo abrupt auf.
»Entschuldigung, ich muss jetzt leider gehen.«
    »Nein!« Jenny sprang ebenfalls auf. Sie
hatte sich vorgestellt, sie würden das Abendessen schnell hinter sich bringen,
Elise verabschieden und sich dann in ihr Zimmer zurückziehen, um ein bisschen
zu knutschen und vielleicht zusammen die Hausaufgaben zu machen. Wenn Leo
einverstanden gewesen wäre, hätte sie vielleicht sogar sein Porträt gemalt.
»Bitte bleib!«
    »Geht nicht. Tut mir Leid, Jenny.«

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