Wie es mir gefaellt
zu
entfachen« - was auch immer das genau bedeuten mochte. »Gerne auch bei dir in
der Nähe «, bot sie an. »Ich geh überallhin.«
»Wow!«, staunte
Vanessa, als sie zur Tür reinkam. Trotz des prolligen Südstaaten-Namens
entpuppte sich das »Bubbas« in der Nähe der Columbia University, das Jordy
vorgeschlagen hatte, als eine edle Trattoria. Vanessa hatte rot-weiß karierte
Plastiktischdecken und Frittenberge als Beilage zu jedem Gericht erwartet, aber
die Tischdecken waren weiß, auf den Tischen standen Kerzenleuchter, und im
Hintergrund lief leise alter Jazz. Es war erst halb sechs und das Lokal war
leer. Aber selbst das war romantisch - auf eine sehr gediegene Art romantisch.
Jordy erwartete sie
bereits und hatte auch schon eine Flasche Rotwein bestellt. Der Kellner nahm
Vanessa die schwarze Wolljacke ab und rückte ihr den Stuhl zurecht. »Ich komme
mir so erwachsen vor.«
Jordy zuckte mit den
Schultern, als wäre das alles nichts Besonderes. Na ja, er studierte ja auch
schon. »Schöner Lippenstift.«
Sie wusste nicht, ob
er sich vielleicht nur über sie lustig machte. Die herablassend freundliche
Miene, die Jordy stets zur Schau trug, machte es außerordentlich schwierig, ihn
einzuschätzen. Vanessa hätte es praktisch gefunden, wenn sich seine Nase als
eine Art Stimmungsbarometer verlängert und verkürzt hätte.
Nicht dass sie ihm
ernsthaft eine noch längere Nase gewünscht hätte.
»Meine Eltern heulen
bei uns zu Hause mit ein paar anderen so genannten Künstlern den Mond an«,
erzählte Vanessa genervt, während sie ihre Serviette auseinander faltete und
auf dem Schoß ausbreitete. »Ich sag dir, ich bin echt froh, wenn sie wieder weg
sind.«
Jordy trank einen
Schluck Wein und presste genüsslich die dünnen Lippen aufeinander. Seine teure
Brille lag auf dem Tisch und Vanessa bemerkte zum ersten Mal seine Augenfarbe -
ein helles Goldbraun wie bei einem Löwen.
Reife Leistung, was?
Die Augenfarbe eines Typen erst zu bemerken, nachdem man ihn geküsst hat!
»Also, ich finde deine
Eltern bewundernswert«, sagte er. »Es gehört schon eine Menge Mut dazu, so... abgedreht zu sein.«
Vanessas kräftige
Augenbrauen schössen in die Höhe. »Abgedreht ist das richtige Wort!« Sie
rutschte mit ihrem gesamten Stuhl voiwärts und stützte beide Ellbogen auf den
Tisch. »Als ich klein war, hab ich an Wunden oder Mückenstichen immer
rumgekratzt. Sobald eine Kruste dran war, hab ich so lang daran rumgeknibbelt,
bis es wieder angefangen hat zu bluten. Und weißt du, was meine Mutter gesagt
hat? Ich soll die Kruste aufheben und sammeln, damit mein Vater Kunst daraus
machen kann. Mal ehrlich, das ist doch voll krank, oder? Normale Mütter würden
sich Sorgen machen, dass Narben zurückbleiben, oder würden ihr Kind zum
Therapeuten schleppen, aber meine Eltern denken nur an sich und ihre
>Kunst<.«
Jordy zuckte mit den
Schultern. »Vielleicht hat sie das bloß aus Witz gesagt.«
Vanessa schlug mit
finsterem Blick die Speisekarte auf. Antipasti, Primi, Secondi, Dolci. Aus Witz? Sie hatte ihre Mutter
nie auch nur etwas entfernt Witziges sagen hören. »Glaub ich nicht.«
Jordy sah sie an,
während sie über der Speisekarte brütete. »Trotzdem bewundere ich sie. Echt.
Zum Beispiel dass sie dir und deiner Schwester erlaubt haben, allein zu wohnen.
Das würden nicht viele Eltern machen.«
»Da hast du Recht«,
antwortete Vanessa mit einer Grimasse.
»Ich würde gern mal
nach Vermont fahren und mir angucken, wie sie dort so leben.«
Vanessa sah
erschrocken hoch. »Wieso das denn?«
»Keine Ahnung. Ich hab
noch nicht viele Leute kennen gelernt, die so... du weißt schon... anders sind. Wahrscheinlich ist es reine
Neugier.« Er trank von seinem Wein und presste danach wieder die Lippen
zusammen. »Mal was ganz anderes... meine Mutter hat mal erwähnt, dass du einen
Freund hast. Ist das nicht mehr aktuell, oder was?«
Vanessa klappte die
Speisekarte zu, ohne sich entschieden zu haben. Hunger hatte sie sowieso nicht
gehabt, sondern bloß von zu Hause weggewollt. »Ja, das ist vorbei. Wir sind
noch nicht mal mehr befreundet.« Ihre knallharte Fassade bröckelte für einen
Moment und ihre Stimme zitterte. »Aber das ist mir egal«, setzte sie trotzig
hinzu.
Als der Kellner kam,
bestellte Vanessa einen Salat. Sie fühlte sich wie eine ihrer dürren blonden
Klassenkameradinnen von der Constance-Billard-Schule, die sich von trockenen
Salatblättern und Götterspeise ernährten.
Jordy riss ein Stück
von dem
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