Wie Fackeln im Sturm
Kämpfer bekannt, eine eheliche Verbindung komme indes auf Grund der fehlenden Geldmittel überhaupt nicht infrage. Gleichzeitig hatten beinahe alle Damen durchblicken lassen, dass eine andere, weniger schickliche Verbindung hingegen durchaus möglich sei. Diese Nachrichten hatte Hugh wie unbeteiligt zur Kenntnis genommen, doch tief in seinem Innern hatte er eine schmerzhafte Leere verspürt. Er wusste sehr wohl, wie die Wirklichkeit aussah, aber als er gewahr wurde, dass man seinen Wert nur an seinem Vermögen und dem Titel maß oder vielmehr an seinem fehlenden Vermögen –, war er sich wie ein Kämpfer vorgekommen, der auf einem weiten Schlachtfeld einem ganzen Heer gegenübersteht. Er hatte sich klein und unbedeutend gefühlt.
Als er jetzt allein auf seinem Pferd saß und im Regen über diese Erlebnisse nachsann, gewann er allerdings den Eindruck, dass er sich glücklich schätzen durfte, jenen feinen Damen entkommen zu sein. Welcher Mann wünschte sich so eine Frau als Gemahlin? Ein solcher Ehemann wäre ein ahnungsloser Hahnrei, noch ehe er verheiratet war, und in der Hochzeitsnacht würde man ihm die Unversehrtheit seiner Braut mit Hühner- oder Ziegenblut vorgaukeln.
Hugh gestand sich nun ein, dass es kindisch von ihm gewesen war, überhaupt in Erwägung zu ziehen, seinen Titel und das vermeintliche Vermögen zur Schau zu stellen, um seinen verletzten Stolz zu vergessen. Willa zurückgewiesen zu haben erfüllte ihn in diesem Moment mit noch größerer Scham. Er hatte sich nicht viel besser benommen als jene Damen, die ihn abgewiesen hatten. Deshalb saß er in dem strömenden Regen der anbrechenden Nacht regungslos und völlig durchgefroren auf seinem Ross. Und deswegen würde er die ganze Nacht hier verweilen. Es war seine Art, Buße zu tun. Eine Buße, die er verdient hatte. So blieb ihm nur die Hoffnung, Willa möge sich erweichen lassen, damit er die gebotene Abbitte leisten konnte … bevor der Regen und die Kälte ihn noch umbrachten.
4. KAPITEL
Bei Anbruch der Dämmerung hörte es auf zu regnen. Zu diesem Zeitpunkt war Hugh bereits zu sehr durchnässt und erschöpft, um den Wetterumschwung richtig wahrzunehmen. Fast war er im Sattel eingeschlummert, als er ein Pfeifen vernahm. Sogleich richtete er sich auf und lauschte, aus welcher Richtung die fröhliche Melodie, kam. Erst dann hörte er den gleichmäßigen Huf schlag eines Pferdes. Unverzüglich umschloss er den Knauf seines Schwerts, das inzwischen wieder an seiner Seite hing, und trieb sein Ross in die Mitte der Waldlichtung, um sich auf den unbekannten Reiter einstellen zu können.
Hughs Anwesenheit unweit der geheimen Hütte musste den Neuankömmling erschreckt haben, denn der Reiter, der am Rande der Lichtung auftauchte, hielt sein Pferd mit verblüffter Miene an. Das Aussehen des Fremden erstaunte Hugh nicht minder. Der Mann mochte gut zwanzig Jahre älter als er selbst sein, und obgleich er wie ein Bauer gekleidet war, merkte man seiner Haltung und seiner ganzen Erscheinung an, dass er ein Kämpfer war. Er wirkte kraftvoll, und sein Ross war zweifelsohne ein edles Tier. Auch die Reaktion des Fremden verriet viel. Gleich nachdem der erste Schreck verflogen war, musterte der Mann Hugh, seine Waffen, sein Pferd und die friedliche Hütte im Hintergrund. Wie es schien, entspannte er sich ein wenig, aber Hugh entging nicht, dass der Mann die rechte Hand auf einen der Säcke legte, die vom Sattelknauf herabhingen. Da Hugh davon überzeugt war, dass der Sack lang genug war, um ein Schwert zu verbergen, beschloss er, sich ohne viel Aufhebens mit dem Fremden bekannt zu machen.
„Baldulf?“ rief er dem Mann zu.
„Mit wem habe ich die Ehre?“ erhielt er als Antwort.
Hugh merkte sehr wohl, dass der Mann mit Bedacht nicht auf seine Frage eingegangen war. Was tat es schon zur Sache? Erstaunen war in seinen Augen aufgeblitzt, ehe er es hatte verbergen können. Und das hatte Hugh in seiner Vermutung bestätigt.
„Ich bin Hugh Dulonget, Lord of Claymorgan und Earl of Hillcrest.“ Trotz seiner überaus verspannten und schmerzenden Muskeln gelang es Hugh, eine aufrechte Haltung einzunehmen, während er sich vorstellte. Zum ersten Mal hatte er sich seiner neuen Titel bedient und war beinahe zusammengezuckt, mit wie viel Stolz er seine Besitztümer verkündet hatte.
Der andere Mann nahm seine Hand wieder von dem Sack. Statt einer höflichen Verbeugung nickte er nur und ritt dann weiter, bis die Pferde sich unmittelbar gegenüberstanden. „Ja,
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