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Wie Fackeln im Sturm

Wie Fackeln im Sturm

Titel: Wie Fackeln im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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während sie selbst die Tür geöffnet hatte. Vor der Tür hatte derselbe Mann gestanden, der Dulonget tags zuvor begleitet hatte. Doch Lucan D’Amanieu war nicht allein gekommen, denn er war in Begleitung eines kleineren, farbenfroh gewandeten Mannes, der mehrmals versucht hatte, einen Blick in die Hütte zu werfen. Mit finsterer Miene hatte Eada ihr Bestes getan, um ihm die Sicht zu versperren, und sich sodann Dulongets Freund zugewandt. Er hatte ihr ein zusammengerolltes Schriftstück gereicht und nach einer kleinen Pause gefragt, ob sie oder „das Mädchen“ lesen könne oder ob er ihnen den Wortlaut vorlesen solle.
    Unvermutet war Willa an ihrer Seite erschienen und hatte dem überraschten Ritter den Brief mit den Worten entwendet: „Habt Dank, Mylord. Ich bin des Lesens kundig.“
    Daraufhin hatte Eada den verdutzten Männern die Tür vor der Nase zugeschlagen. Als Willa die Nachricht laut vorgelesen hatte, hatte das Gelübde, über ihre liebliche Erscheinung zu wachen, beinahe poetisch geklungen. Einen Moment lang hatte Eada befürchtet, Willa würde auf der Stelle hinauslaufen und das Angebot annehmen, doch Willa hatte die Tür lediglich einen Spaltbreit geöffnet und heimlich den Ritter und sein Ross auf der Lichtung in Augenschein genommen.
    Eada hatte kaum einen Blick von ihm erhascht, als Willa die Tür auch schon wieder zudrückte und sich erkundigte: „Und du bist sicher, dass er sterben wird, wenn ich einwillige, bevor er angekrochen kommt?“
    Eada hatte bedeutungsvoll genickt und sich gefragt, wie sehr Dulongets Ablehnung Willa in ihrem Stolz verletzt haben mochte. Für gewöhnlich war sie ein empfindsames Geschöpf und hasste die Vorstellung, dass irgendein Mensch oder Tier zu leiden hatte. Trotz ihrer Frage hatte der Anblick des Ritters, der im strömenden Regen auf seinem Pferd saß, sie nicht sonderlich mit Sorge erfüllt.
    Die Morgendämmerung lag schon viele Stunden zurück. Jetzt brach der Abend an, und der Mann verharrte immer noch in derselben Stellung. Seine Miene verriet seine unveränderliche Entschlossenheit, obwohl der Regen über die Stunden zugenommen hatte. Mittlerweile goss es in Strömen. Eada hegte keinen Zweifel, dass der stolze Ritter sich furchtbar unwohl fühlen musste, doch in seinem Gesichtsausdruck zeichneten sich keine Gefühlsregungen ab.
    „Törichter Mann!“ rief Willa ärgerlich und trat an die Tür. „Er wird sich eine Erkältung holen und daran sterben.“
    „Vielleicht“, stimmte Eada ihr gelassen zu, „aber er wird gewiss sterben, wenn du jetzt hinausgehst und nicht abwartest, bis er angekrochen kommt.“
    Willa hatte schon den Riegel zurückgeschoben, war dann aber wieder von der Tür zurückgetreten. „Und was ist, wenn er nicht angekrochen kommt?“
    „Er wird kriechen, glaube mir.“
    Willas Miene verfinsterte sich angesichts dieser kühnen Behauptung. „Wann?“
    „Wenn der Zeitpunkt gekommen ist.“ Die Unzufriedenheit, die in den Zügen des Mädchens aufflammte, überraschte Eada keineswegs. Ebenso wenig erstaunte es sie, als Willa augenblicklich einen undurchdringlichen Gesichtsausdruck aufsetzte und ihren inneren Widerstreit zu verbergen wusste. Schon in jungen Jahren hatte Willa gelernt, sich selbst und ihre Gefühle zu beherrschen. Wenn einem jungen Menschen alles genommen wird, lernt er unweigerlich, sich immer unter Kontrolle zu haben, dachte die Alte. Denn in ihrem kurzen Leben hatte Willa alles nur Erdenkliche verloren: ihre Mutter, ihren Vater, ihre Freunde, ihr Zuhause. Selbst den Mann, der wie ein Vater zu ihr gewesen war … sogar zwei Mal; zuerst in den Jahren, nachdem sie in diese Waldhütte gezogen waren, und dann durch den Tod des alten Earl.
    Obendrein hatte sie viel zu früh ihre Kindheit verloren. Mit Luvenas Tod war der Schleier der Unschuld fortgerissen worden, und von da an hatte die Verantwortung für das Überleben anderer Kinder in ihrer Nähe auf den schmalen Schultern eines Mädchens gelastet. Willa war in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass ihr jemand nach dem Leben trachtete. Sie hatte die Gesellschaft anderer Kinder gemieden, um nicht einen weiteren Spielkameraden zu gefährden. Daher war sie nur unter Erwachsenen groß geworden, und in Gesellschaft von Tieren. Die Umstände, unter denen sie herangewachsen war, hatten ihr eine widersprüchliche Wesensart beschert. Sie konnte der fügsamste Mensch auf Erden sein, doch schon im nächsten Augenblick legte sie einen ungeahnten Starrsinn an den Tag.
    Das Leben in der

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