Wie Fackeln im Sturm
geduldig auf dem Kutschbock, nur Willa war nirgends zu entdecken. „Wo ist …?“
„Willa holt nur gerade ihr Pferd“, erklärte Baldulf.
„Beim Allmächtigen …“
Bei diesem ehrfürchtigen Ausruf zog Hugh verdutzt die Brauen hoch, drehte sich im Sattel und folgte Lucans Blick. Willa bot einen eindrucksvollen Anblick, als sie ihr Pferd aus dem Stall lenkte. Die langen goldenen Zöpfe fielen ihr über die Schultern. Ihre Haltung war tadellos, mit sicherer Hand hielt sie die Zügel, und ihre Schenkel drückten fest in die Flanken des Pferdes. Sie trug Beinkleider eines Mannes und eine viel zu große Bluse, die sich im Wind blähte, als sie ihr Tier zum Stehen brachte. Dann sprang sie behände aus dem Sattel, um einen Riemen an der Flanke ihrer Stute zu überprüfen.
Hugh betrachtete mit offenem Mund Willas Beinkleider, die sich eng um ihr wohlgeformtes Hinterteil legten, doch er war eher entrüstet als nur erstaunt. Schon trieb er seinen Hengst nach vorn, um die Frau für ihr wenig damenhaftes Benehmen zu schelten, doch Baldulf verhinderte sein Vorhaben, indem er die Zügel von Hughs Ross ergriff.
„Als wir sie damals von Claymorgan hierher brachten, haben wir sie als Jungen verkleidet, um für ihre Sicherheit zu sorgen“, erklärte der Recke.
Hugh starrte ihn wortlos an.
„In der Verkleidung musste sie auch wie ein Junge reiten. Das war notwendig. Nur so konnte sie zu den Markttagen reiten. In der ersten Zeit bot das Markttreiben die einzige Möglichkeit, sich heimlich mit dem Earl zu treffen.“
„Ich dachte, er hätte sie die ersten fünf Jahre lang nicht gesehen“, murmelte Lucan wie abwesend. Seine Aufmerksamkeit galt nur noch Willas Rundungen, so dass er den wachsenden Unmut seines Gefährten überhaupt nicht wahrnahm.
„Stimmt, sie konnten sich nicht treffen und miteinander sprechen. Doch Willa war nie bewusst, dass Lord Richard sich auf dem Markt aufhielt, während sie von Stand zu Stand ging. So konnte er sie zumindest sehen. Er beobachtete, wie sie die Spiele und süßen Speisen genoss, und konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Das war alles, was er sich in den ersten Jahren gönnte. Gewiss, als sie allmählich zu einer Frau heranwuchs, konnten wir sie nicht mehr länger als Jungen verkleiden. Dennoch, als der Earl ihr schließlich erlaubte, ihn zu besuchen, behielt sie ihre Verkleidung bei, hüllte sich aber stets in einen Umhang, um ihre … Formen zu verbergen. Wenn sie die Hütte verließ und auf ihrem Pferd ritt, hat sie die Verkleidung getragen. Sie kann nicht im Damensitz reiten.“
Hugh lauschte dem älteren Mann, ging indes nicht auf die Erklärungen ein, da er die ganze Zeit Lucan düster anschaute. Als dieser endlich merkte, dass sein Gefährte ihm das unverhohlene Anstieren seiner zukünftigen Braut verübelte, räusperte er sich und murmelte so etwas wie eine Entschuldigung. Er sah bewusst zur Seite, als Willa wieder in den Sattel stieg.
„Stimmt etwas nicht mit Hilly?“ fragte Baldulf, als sie heranritt.
Hugh musterte ihre Kleidung mit strafenden Blicken, aber als sie auf Baldulfs Frage nicht einging, betrachtete Hugh ihr Gesicht und stellte fest, dass Willa mit besorgter Miene auf das weiße Tuch schaute, das Eada ihm um die Stirn gebunden hatte.
„Die Wunde blutet ja immer noch“, sagte sie bestürzt.
„Es ist nichts“, versicherte Hugh ihr.
„Nichts, Mylord? Noch vor einer Stunde wart Ihr Euch sicher, im Sterben zu liegen. Wäre es nach mir gegangen, so hätten wir mit dem Packen gewartet und Euch nach Hillcrest gebracht, damit Ihr Euch hinlegt.“
Hugh spürte eine unangenehme Hitze in den Wangen, als sein Freund ihn scharf ins Auge fasste. Er hatte Lucan noch nicht von seinem Versuch erzählt, Willa die Einwilligung in die Ehe auf unlautere Weise zu entlocken.
„Ihr seht recht erhitzt aus, Mylord“, meinte Willa besorgt. „Vielleicht sollte ich mit Euch reiten, um zu verhindern, dass Ihr aus dem Sattel stürzt und Euch den Hals brecht. Ihr könntet Euch an mir festhalten und Eure Kräfte schonen.“
Hugh öffnete den Mund, um ihr erneut zu versichern, dass es ihm gut gehe, kam aber gar nicht mehr dazu. Längst hatte Willa ihr Pferd neben seins gelenkt und kletterte bereits äußerst behände auf seinen Sattel. Sie setzte sich vor ihn, ergriff dann seine Hände und legte sie auf ihre Taille.
„Haltet Euch einfach an mir fest“, riet sie ihm und griff nach den Zügeln. „Schont Euch, Mylord.“
Hugh wollte darauf
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